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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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unser Basislager in einer kleinen Stadt am Ufer des Paraguays. Von hier zog sich die Chaco-Eisenbahn tief ins Innere; die Spurweite der Oberbau-Schienen betrug nur sechzig Zentimeter, und auf diesem baufälligen und gefährlichen Schienenweg fuhren Ford Eights. Mit diesem unbequemen Verkehrsmittel reisten wir ziemlich weit ins Land hinein, um Tiere zu suchen. Die Eisenbahnstrecke war auf einer Böschung gebaut worden, einer der wenigen Erderhöhungen, und die ganze Tierwelt benutzte sie als Landstraße. Wenn man in einem der kleinen Wagen saß, konnte man im Unterholz längs des Gleises außergewöhnliche Vögel zu Hunderten sehen — Tukane mit ihrem Clownsbeutel, die zwischen den Zweigen umherhuschten, Seriemas, Storchvögel, die großen grauen Truthühnern ähnlich durchs Gras stolzierten, und allenthalben wunderschöne schwarzweiße Fliegenfänger sowie bunte Kolibris. Nach einer Kurve trafen wir manchmal Tiere, die sich mitten auf dem Schienenweg befanden. Es konnte ein Gürteltier sein, oder vielleicht ein Aguti, der wie ein großes rötlichgefärbtes Meerschweinchen aussieht; wenn wir Glück hatten, sahen wir auch einen Guara, das heißt einen Mähnenwolf mit langen, schlanken Läufen und struppigem rotem Fell.
    Schon kurz nach unserer Ankunft erlangten wir unsere ersten Exemplare. Als die Einheimischen erfuhren, daß wir Tiere kaufen wollten, gingen sie für uns auf die Jagd. Am meisten Erfolg hatten sie beim Fang des Dreibinden- oder Kugelgürteltiers, das die Gewohnheit hat, sich zu einer Kugel zusammenzurollen. Es ist das einzige Gürteltier, das sich so zusammenrollen kann, außerdem das einzige dieser Familie, das regelmäßig bei Tage hervorkommt. Wenn es auf der Suche nach Nahrung, die aus Wurzeln und Insekten besteht, umherstreift, rollt es sich fest zusammen und bleibt unbeweglich, sobald es eine Gefahr argwöhnt, in der Hoffnung, der Feind werde es für einen Stein halten, dem es dann tatsächlich sehr ähnelt. Wenn man ein Kugelgürteltier erspäht, ist es sehr leicht zu fangen. Unsere Fänger ritten durchs Unterholz, bis sie ein Kugelgürteltier sahen, dann stiegen sie einfach ab, hoben es auf und steckten es in einen Sack.
    Normalerweise sind Gürteltiere leicht in Gefangenschaft zu halten; man füttert sie mit Früchten, Gemüse und Aas. Die kleinen Dreibindengürteltiere machten mir jedoch zu schaffen. Zuerst verweigerten sie alle Nahrung, die ihrer natürlichen Diät entsprochen haben mußte, und wenn ihnen Insekten angeboten wurden, schienen sie sich gar zu fürchten. Nach vielen Experimenten gewöhnte ich sie an eine Diät von rohem Fleisch, vermischt mit Ei und Milch, der Vitamine zugefügt wurden. Dabei schienen sie zu gedeihen, doch bald ergab sich eine andere Schwierigkeit. Der Holzboden des Käfigs tat ihren Hinterfüßen nicht gut, und die Sohlen wurden so angegriffen, daß sie ganz entzündet aussahen. Deswegen mußten die kleinen Geschöpfe jeden Tag aus dem Käfig genommen werden, und dann rieb ich ihnen die Sohlen mit Penicillinsalbe ein; aber das eigentliche Problem bestand darin, einen geeigneten Fußboden für sie zu finden. Ich versuchte es mit Lehm; aber sie machten daraus eine Art Zement, indem sie ihre Milch ausschütteten und den Boden feststampften, wonach er auf ihre Sohlen die gleiche Wirkung ausübte wie die Holzbretter. Nach einiger Zeit fand ich heraus, daß eine dicke Schicht Sägemehl die ideale Lösung war. Darauf konnten sie vergnügt herumtrampeln, ohne daß ihre Füße den geringsten Schaden litten.
    Wie die argentinischen Gauchos fangen die Paraguayer Gürteltiere, um das Fleisch zu essen; aber im Gegensatz zum argentinischen Borstengürteltier läßt sich beim Kugelgürteltier auch der Knochenplattenpanzer auf mancherlei Weise verwenden. Manchmal wird aus dem zusammengerollten Panzer mit Draht ein kleiner runder Korb hergestellt; manchmal wird über die offene Seite des Panzers Haut gespannt, und man macht daraus eine kleine Gitarre, indem man einen Griff und ein paar Saiten daran befestigt. So ist das Kugelgürteltier bei den Einwohnern des Chacos sehr begehrt; denn nicht nur schmeckt es gut, sondern es ist auch sonst noch nützlich.

    Da der Chaco so eben ist, sind große Strecken natürlich fortdauernd überschwemmt, und in diesen Sumpfgebieten findet man außergewöhnliche Reptilien und Amphibien. Zu den gewöhnlichsten Geschöpfen gehört der Schmuckhornfrosch, den alle Eingeborenen fürchten. Dieses gespenstisch aussehende Tier kann sehr groß werden.
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