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Ein neues Paradies

Titel: Ein neues Paradies
Autoren: Hans Dominik
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haben doch in der Schule ein Gedicht von Friedrich Schiller gelernt, in dem allerlei von singenden Schnittern und garbenbindenden Mädchen vorkommt. Wo sind denn die, und was ist denn das dort drüben?« Hier mischte sich der alte Inspektor ein: »Wenn ihr Stadtmenschen die Landwirtschaft aus Schillerschen Gedichten lernen wollt, werdet ihr tüchtig daneben hauen. Mit der Hand wird seit Urgroßvaters Zeiten kein Getreide mehr geschnitten, und Garben bindet man auch nicht mehr von Hand. Das da drüben ist eine Mäh- und Garbenbindemaschine. Wir wollen mal hinüberreiten, aber fallt nicht dazwischen, sonst werdet ihr mitgemäht und mitgebunden.«
    Unsere Freunde ritten querfeldein auf den Gegenstand ihres Interesses zu. Da kroch etwas großes Schwarzes behende durch das wogende Ährenfeld. Es sog die nickenden Halme gewissermaßen in sich ein. Hinter ihm aber waren die stehenden Ähren verschwunden. Man sah nur kurzgeschnittene Stoppeln, und in gleichen Abständen legte die Maschine eine sauber gebundene Garbe neben die andere.
    »Das ist unsere Mähmaschine«, sagte der alte Inspektor. »Schon im neunzehnten Jahrhundert haben sie etwas Ähnliches versucht, aber es war auch darnach. Die Maschine, die ihr hier seht, wird von einem hundertpferdigen Spiritusmotor mit sechzehn Zylindern getrieben und mäht auf einmal eine Bahn von zehn Meter Breite in die Felder. Dabei schreitet sie in der Sekunde fünf Meter vorwärts. Den Motor hört ihr nicht arbeiten. Geräuschlos und geruchlos tut er seine Pflicht, was man in früheren Jahren auch gerade nicht behaupten konnte. An der Vorderseite der Maschine seht ihr zwanzig Messerkreuze. Sie laufen mit hundert Umdrehungen in der Sekunde und schneiden die Halme ab, ohne sie umzuwerfen. Noch bevor sich der geschnittene Halm darauf besinnen kann, daß er abgeschnitten ist und von Rechts wegen auf die Erde zu fallen hat, fassen diese Arme hier ein ganzes Bündel davon, drücken es zusammen und schaffen es nach hinten. Hier in der Mitte seht ihr einen sehr interessanten Teil der Maschine. Hier schlingt sie einen kräftigen Bindfaden um das Halmbündel und knotet einen richtiggehenden Schifferknoten hinein. Hier hinten legt sie die Garben auf das Feld. Aber nun muß die Maschine weiter, denn dort kommt der Sammelwagen.«
    Alsbald begann die Maschine wieder zu laufen und zog ihre Bahnen weiter durch das Getreide. Hinter ihr her rollte ein kräftiger Ackerwagen seines Weges, ebenfalls durch einen kräftigen Spiritusmotor getrieben, ebenso schnell und ebenso geräuschlos wie die Mähmaschine. Mit einer Art Rechenrad nahm er Garbe um Garbe auf und warf sie in den Wagenkasten. »Solcher Wagen gehören zehn Stück zu jeder Mähmaschine«, fuhr der Inspektor fort, »sobald einer voll ist, fährt er mit dreißig Kilometer in der Stunde nach der Scheune und schiebt dort seine Ladung, sofort richtig gestaut, in den Scheunenraum.
    Das Feld ist jetzt frei, wie ihr seht, und morgen kommt bereits die Pflüge- und Düngemaschine darauf. Wir wollen nach einer anderen Stelle reiten, die gestern gemäht wurde und heute unter dem Pflug liegt.«
    »Das wird ja beinahe eine Fortsetzung der Schulstunden von gestern«, meinte Kurt, »wenn die Sache so weiter geht, müssen wir bei Doktor Bunsen die Note ›recht gut‹ bekommen!«
    Wieder mußten die Pferde traben, und bald war das Ziel erreicht. Die Maschine, welche hier über die Fluren zog, war wesentlich größer als die eben besichtigte Mähmaschine. Sie trug in der Mitte einen gewaltigen Kasten. In ihm befanden sich, nach der Erklärung des Inspektors, die Düngestoffe. Staßfurter Salz für den Ersatz von Kalium und Natrium, Thomasschlacke für den Ersatz der Phosphate und Kalkstickstoff oder, chemisch gesprochen, Calciumdicyanamid für den Ersatz der Stickstoffverbindungen, die die vorige Ernte dem Boden entzogen hatte. Je nach der Beschaffenheit des Ackers, je nach der letzten Ernte und je nach der kommenden wurden diese Stoffe in verschiedene Verhältnisse gemischt und mehr oder weniger reichlich beim, Pflügen gegeben. Der Motor, welcher diese Maschine trieb, hatte nicht hundert, sondern fünfhundert Pferdestärken. Seine Pflugscharen standen an der Vorderseite. Sie schnitten den Acker bis zu einer Tiefe von fünfzig Zentimeter auf und nahmen ihn richtig in sich hinein. Im Innern der Maschine wurden aber die gewendeten Schollen durch rotierende Messer weiter zerschnitten und bei dieser Gelegenheit ganz gründlich mit den genannten Düngestoffen
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