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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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Wanderungen in den Alpen wieder auf.
    Als ich in einem Park stattliche Ginkgobäume entdeckte, die seit vielen Jahren meine Lieblingsbäume waren, fühlte ich mich wieder in meine Welt zurückversetzt. Ich erlaubte mir, zwei besonders schöne Blätter zu pflücken. Eines reichte ich Paula und erzählte ihr, dass Ginkgobäume in Japan und China seit Jahrtausenden als Glücksboten verehrt würden, häufig vor Palästen zu finden seien, und Früchte wie Blätter heilende Kräfte besäßen. Das zweite Blatt, welches mir als Glücksbringer dienen sollte, legte ich in meinen Reiseführer.
    Bis zur nächsten Herberge waren es noch einige Kilometer. Eine Unsicherheit gesellte sich zu meiner Müdigkeit. Würde ich überhaupt ein Bett bekommen? In Zubiri war es schon eng gewesen. Und in Larrasoañas Herberge waren die Betten ebenfalls belegt, wie ich aus Gesprächen mit Pilgern erfahren hatte. Auch dort mussten einige auf dem Boden nächtigen. Ich erhöhte mein Tempo. Paula, die weniger Eile empfand, erwähnte beiläufig, dass blaues Blut durch ihre Adern flösse, der König von Pamplona einer ihrer Vorfahren sei und sie noch einiges von der Stadt ihrer Vorfahren erkunden wolle. Somit trennten sich erst einmal unsere Wege.
    Ich hatte es eilig, ein Bett zu bekommen. Als ich hinter mir sechs Pilgerinnen erblickte, erhöhte ich meine Geschwindigkeit abermals. Ich wollte unbedingt vor ihnen in Cizur Menor ankommen. Immer wieder blickte ich über meine Schulter. Auf den letzten Kilometern überholte ich noch einige Pilger, was meine Chance auf ein freies Bett erhöhte, wie ich annahm. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht die leiseste Ahnung, dass mir der Jakobsweg an diesem Tage eine Lektion erteilen würde.
    Ich erreichte die Herberge vor vielen anderen. Die Ungeduld und Rennerei hatten mir allerdings nicht das Geringste eingebracht. Alle Betten waren belegt. Ich war sauer, zumal die Herberge als eine der schönsten auf dem gesamten Jakobsweg in meinem Reiseführer gelobt wurde. Doch meine Enttäuschung hielt nur so lange an, bis Melitta mich im Garten umarmte. Sie führte mich zu Brigitte, Rainer und Alexander, die sich ebenso freuten wie ich. Es kam mir vor, als wenn sich alte Freunde nach langer Zeit wieder begegneten. Unser Gespräch war leider nicht von Dauer, weil ich mich schließlich noch auf die Suche nach einem Bett machen musste. Ich ging zurück zum Herbergsvater, der sich mittlerweile den bohrenden Fragen von Paula ausgesetzt sah. Der Herbergsvater empfahl uns nach einem Telefonat, mit dem Bus zurück nach Pamplona zu fahren und dort die Herberge, in der es noch freie Betten gab, aufzusuchen. Mit Paula ging ich zur Bushaltestelle, wo ich eine Überraschung erlebte: Bernd und Yajaira warteten gemeinsam mit den sechs Pilgerinnen, denen ich zuvorkommen hatte wollen, auf den Bus nach Pamplona.
    Mein Gewissen ermahnte mich, dass ich keinerlei Rechte besaß, vor irgendjemand anderem etwas zu bekommen. Schließlich hat jeder das gleiche Recht. Ein Satz aus der Bibel kam mir in den Sinn: »Die Ersten werden die Letzten sein. Die Letzten werden die Ersten sein.« Der tiefe Sinn der Worte wurde mir bewusst. Wenn jemand versucht, andere zu übervorteilen, wird er sich irgendwann an letzter Stelle oder auf gleicher Höhe mit denselbigen wiederfinden. Etwas Positives hatte das Ganze dann doch noch. Ich befand mich wieder in der angenehmen Gesellschaft von Yajaira und Bernd. Der Bus kam. Wir stiegen mit unseren riesigen Rucksäcken ein und fuhren zurück nach Pamplona. Mit Wehmut betrachtete ich den von mir bereits zurückgelegten Weg und beschloss, am nächsten Morgen mit dem Bus zurück nach Cizur Menor zu fahren.
    Zu Paulas Habseligkeiten zählten außer einem unnötig schweren Rucksack eine Tasche sowie ein großer Stab, den sie im Wald aufgegriffen hatte. Der Weg zur Herberge zog sich. Ich wurde ungeduldig, fühlte eine zunehmende Erschöpfung. Als wir endlich vor der Herberge standen, war mir leichter ums Herz, was leider nicht lange anhielt. An der Art und Weise, wie der junge Herbergsvater mit Bernd redete, der gut Spanisch sprach, erkannte ich, dass uns nichts Gutes bevorstand. Die Herberge war mittlerweile ebenfalls überfüllt. Alle guten Worte halfen nichts, die Bettsuche setzte sich fort. Der junge Mann empfahl uns ein Hostal. Ich fluchte, war wütend, einfach nur sauer und schickte schließlich ein Gebet Richtung Himmel: »Lieber Gott, bitte gib uns ein Zimmer, es reicht jetzt. Wir sind erschöpft und müde.« Mir
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