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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht
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Bindfaden trugen. In den Gläsern war Wasser, und darin schwammen vierbeinige geschwänzte Geschöpfe herum, teils in prächtigen Farben, andere wieder sahen bleich und durchscheinend aus: allerlei Lurche, Kaulquappen und ähnliches Getier, aus stehenden toten Wasserarmen des großen Stroms erbeutet, der da weit rückwärts irgendwo lief, wohin man aber selten kam. Solcher Tümpel indessen gab es auch zwei in Conrads Jagdgründen; und gerade sie wurden von den Jungen bevorzugt, ihrer besonderen Ergiebigkeit wegen.
    Denn jene erhielten vom Tierhändler für jedes unversehrte größere Stück einen Zehner, weil man solcher Wasserbewohner mitunter bedurfte, sei’s zur Abgabe an Aquarienfreunde oder als Versuchstiere für gelehrte Anstalten. Es erscheint bemerkenswert, daß Conrad von diesem geldlichen Hintergrunde der Forschung in den Tümpeln und des vielen Herumsteigens und Herumfischens darin erst viel später zufällige Kenntnis erhielt, als er beinahe schon erwachsen war. Hier hatte ein sicherer Zusammenhalt jeden unerwünschten Wettbewerb ausgeschlossen.
    Conrads Verhalten diesen Jungen gegenüber, mit denen er alsbald bekannt wurde, war aber eigentlich ein solches, das ihn hätte beliebt machen müssen. Am ersten Nachmittage, da er sie begleitete, gebrauchte er zum Beispiel gleich – und mit einer gewissen Feinhörigkeit und Eilfertigkeit – ihre für ihn mitunter recht fremde Ausdrucksweise, einschließlich der eigentümlichen Namen, die sie den Tieren gaben, welche dem kleinen Castiletz freilich aus der Naturgeschichte unter ganz anderen geläufig waren. Aber er bediente sich der ihren. Einen sprach er auch mehrmals vollkommen verdreht aus, die Jungen sahen sich an und lachten, verbesserten ihn aber nicht. Beim Fangen erwies sich Conrad als geschickt. Seine Beute kam auch in die großen Einmachgläser. Abends streunte er dann mit den Jungen durch die Wiesen und Buschwälder heimwärts und in die ersten Gassen hinein. Hinter den Bäumen lag ein langer rötlicher Streif am Himmel, in der herabsinkenden Dunkelheit lärmten die Wagen, klingelten die erleuchteten Straßenbahnzüge: es schien ihm fast ungewohnt, nach so vielem Entlangschlüpfen durch das Uferdickicht, Waten mit bloßen Füßen, wo sich eine sandige, schlammfreie Stelle fand, nach so stundenlangem versunkenen Hineinstarren in das Wasser, immer wieder den Bewegungen eines kleineren oder gar größeren höchst anziehenden Geschöpfes gespannt folgend, bis es in Reichweite der Hand kam, mit einem ruhigen, sehr aufmerksamen Griffe von rückwärts genommen werden konnte, jetzt als greifbarer Erfolg in des Wortes genauester Bedeutung in der Hand zappelnd sich regte: herausgehoben sah es dann, samt dem Schlamm, der immer dabei war, jedesmal kleiner aus, als Conrad erwartet hatte.
    Einzelne von den Jungen fielen am Heimwege da und dort in seitliche Gassen ab, sie gaben den anderen kaum einen Gruß, als sie sich entfernten, und Kokosch beachteten sie überhaupt nicht. Dieser ging am Ende mit dem Letzten, welcher mit ihm noch ein Stück des Heimweges gemeinsam zu haben schien, weiter. Conrad begann zu sprechen, fragte, in welche Schule jener gehe, und ob es noch größere Molche dort in dem Wasser gebe als die heute gefangenen. Die Antworten des anderen Knaben hatten sozusagen einen sehr kurzen Atem. Bei seinem Haustore grüßte er mit einer merkwürdigen Förmlichkeit in einer fühlbar für diesen Anlaß gereinigten Sprache und verschwand hinein.
    Daheim in seinem Zimmer suchte Conrad, gleich nachdem er das Licht angedreht hatte, einen kleinen roten Eimer hervor, den er aus früheren Zeiten, vom Graben am Sandhaufen her, noch besaß, ging in die Küche, wo schon das Abendbrot vorbereitet wurde, und ließ das Gefäß voll Wasser laufen, um es so auf sein Dichthalten zu prüfen.
    Nach dem Abendessen überblickte Conrad die Sachlage bei den Schularbeiten und vertiefte sich auf das heftigste ins Latein und in die Geographie. Um halb zwölf Uhr nachts kam sein Vater vor dem Schlafengehen noch herein, verwundert über das späte Licht.
    »Nun, mein Armer«, sagte er, »noch so viel zu lernen für morgen?«
    »Nein, Vater«, sagte Conrad wahrheitsgemäß, »ich war schon heute nachmittag um fünf Uhr fertig. Aber ich will morgen etwas länger in die Auen gehen, und so arbeite ich im voraus für übermorgen.«
    »Ja, das sind so die Geschäftsdispositionen«, sagte Lorenz Castiletz beiläufig, lachte, streckte die Arme über den Kopf empor und gähnte dann. »Na,
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