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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus
Autoren: Gerald Messadié
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benachrichtigen. Auf diese Weise haben sie diesen Empfang einrichten können. Man ist gut organisiert in diesem Land.« Gleich nachdem sie das Tor der Pferde passiert hatten, bogen sie in ein Labyrinth von Straßen ein. Hie und da wurden sie im Vorbeireiten mit, wie es dem Legaten schien, recht kalten Blicken bedacht. Wenig später blieben die Reiter, die die Führung übernommen hatten, vor einem großen Portal stehen, und der Legat begriff, daß sie am Ziel angekommen waren. Der Kommandant erklärte ihm, daß man ihm sein Quartier im hasmonäischen Palast eingerichtet habe. Der König habe dort lange Zeit gewohnt, bevor er eine andere Residenz habe bauen lassen. Der Legat saß ab, der Kommandant zog sich zurück, und ein Haushofmeister, gefolgt von einer Heerschar Diener und schwarzer Sklaven, löste ihn in seiner Aufgabe ab und führte den Römer in seine Gemächer; es waren die persönlichen Räume des Königs selbst. »Das Bauwerk, das du durchs Fenster dort drüben siehst, erhabener Metellus, ist der Tempel, den unser erlauchter König wiederaufbauen hat lassen«, erklärte der Haushofmeister auf lateinisch. »Auf deinen Wunsch hin wird dir jederzeit ein Bad bereitet werden.« Dabei wies er auf ein paar schwarze Sklaven. Man ließ den Legaten nun allein mit seinem Sekretär, der ehrfürchtig mit der Hand über die Marmormosaiken strich. Die beiden sahen sich kopfschüttelnd an.
    »Abgesandte des Kaisers werden fürstlich empfangen«, meinte der Sekretär.
    »Und wie wird erst das Essen mit Herodes aussehen!« gab der Legat zurück.
    Er verlangte nach seinem Bad. Keine halbe Stunde später kündigten ihm nach Sandelholz duftende Dampfschwaden an, daß es fertig sei. In Gedanken versunken, ließ er sich unter dem geröteten Blick der Sklaven in das Alabasterbecken gleiten.
     
    »Gib folgendes an die Legionäre weiter: Daß sie mir ja nicht mehr als einen Becher Wein im Verlauf des Abends trinken! Man weiß schließlich nie.«
    Der Sekretär sprang die Treppen hinab, um den Befehl zu überbringen. Gesalbt, massiert und für seinen Geschmack ein wenig zu stark parfümiert, sah der Legat mit kritischem Blick auf seine Stiefel aus weißem Ziegenleder hinunter, prüfte die Agraffe und den Faltenwurf seiner Toga und wanderte dann, in der Erwartung, daß man ihn holen komme, unruhig im Raum auf und ab. Jemand klopfte an die Tür; es war der Haushofmeister, hinter sich eine Heerschar von orientalisch gekleideten Kammerdienern, Höflingen und gallischen Gardisten. Sie bildeten einen Geleitzug für die wenigen Schritte, die den Palast der Hasmonäer vom Neuen Palast trennten.
    Fackelschein ließ ringsum alles rot erglühen, tauchte die hohen Mauern und die vier Türme in fahles Ocker und warf goldene Funken auf Waffen und Rüstungen der Wachsoldaten, die in Reih und Glied vor dem Portal postiert waren. Im ersten Saal, in dem vier eines Titans würdige Feuerbecken wohlriechenden Rauch verströmten, standen schwarze Wachsoldaten von athletischer Statur, die Lanze in der Faust und den Blick in unbestimmte Ferne gerichtet. Im nächsten Saal waren es dann Juden und Gallier, die sich auf den Stufen einer Treppe gedrängt aufgereiht hatten. Zwei Jünglinge hoben einen schweren Vorhang, Zimbeln ertönten, und endlich stand der Legat Herodes gegenüber.
    Er sah einen Mann vor sich, der es gewohnt war, Angst einzuflößen: die fahle Gesichtsfarbe, der kantige Unterkiefer, die fetten, schweren Gesichtsfalten, lange schwarze Haare, vor allem aber diese dunklen, von Ringen umschatteten Augen, die schwarzen, in empfindliche und nahezu violette Hautsäcke gefaßten Achaten glichen, dies alles verlieh Herodes die Ähnlichkeit mit einer Eidechse. Er lächelte, doch die Falten, die sich zwischen Nasenflügeln und Mundwinkeln dabei abzeichneten, drückten weder Freude noch Milde aus. Er öffnete seine Arme zum Zeichen des Willkommens, doch sie waren stark genug, um einen Mann zu erdrücken. Er trat einen Schritt vor, einen einzigen nur, die übrige Distanz mußte der Legat zurücklegen. Dann eine kräftige und wiederholte Umarmung. Der Legat begriff sofort, daß er sich hier auf fremdem Boden befand. Er war lediglich der Überbringer einer Botschaft. Dieser Mann war ein Freund Roms, aber er war auch der Herrscher über die Sieben Provinzen — Judäa, Samarien, Galiläa, Peräa, Trachonitis, Batanäa und Auranitis — und bestimmt nicht einer jener Soldaten, die das Glück oder ein gutes Schwert, vielleicht auch die Gunst eines senilen
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