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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus
Autoren: Gerald Messadié
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mörderischen Sonne blitzten. Er kannte die Namen dieser Volksstämme nicht, er sah nur die gegerbte Haut dieser Männer vor sich, ihre sehnigen Muskeln, ihre vorstehenden Rippen... Er fröstelte und legte die Hand an den Griff seines Schwertes, als wolle er sich auf die Feinde der römischen Zivilisation, ihre Gesetze und Ordnung stürzen. Wie gut doch, dachte er bei sich, daß das Imperium seinen gewaltigen Schatten auf diese Regionen wirft. Je weiter diese Dämonen zurückgedrängt werden, desto besser.
    Diese Dämonen, verwunderte sich der Legat. Nun lasse ich mich schon dazu hinreißen, an Dämonen zu denken! Einem Römer war der Gedanke an Dämonen völlig unvertraut. Die einzige Vorstellung, die sich ein Bürger des Römischen Reiches von bösen und teuflischen Wesen machen konnte, war die von Lemuren, aus dem Dunkel aufgestiegener Larven, die in die Häuser gottloser Menschen einfielen. Aber Dämonen! Der Legat mußte über seine Entgleisung lächeln und konzentrierte sich wie zu seiner Beruhigung auf das harte Klappern der Hufe seines Pferdes. Doch trotz der klaren Luft und des blendenden Lichts muß unmerklich irgendeine giftige Ausdünstung vom Boden dieses Landes ausgehen, dachte er bei sich. Es ging ihm nämlich erneut durch den Kopf, daß Dämonen im Grunde genommen keine so unwahrscheinliche Form des Übernatürlichen waren. Brachte nicht jedes Land wie seine ihm eigenen Bäume und Tiere auch seine ihm eigenen Geister hervor?
    »Reich mir die Feldflasche!« sagte er zu seinem Sekretär.
    Er fühlte sich wie ausgedörrt und fragte sich, ob die Sonne des Orients nicht allmählich heimtückisch sein Gehirn angriff. Wie dem auch sei, dachte er, amüsiert über seine fixe Idee, es fällt schwer, sich vorzustellen, daß Jupiter auch über dieses Land herrscht. Jupiter regiert nur zivilisierte Menschen in Städten wie Rom und in fruchtbaren Regionen wie Kampanien. Aber hier? Nichts deutete auf seine Macht hin, noch auf die Apollos, Merkurs, Junos oder Minervas. Beherrschte also eine andere Macht diese ausgetrockneten Regionen? Er trank aus der Feldflasche, ohne sie an die Lippen zu setzen. All diese Gedanken führten nirgendwohin; er tat wohl besser daran, sich auf seine Begegnung mit Herodes dem Großen vorzubereiten und seine Amtsautorität, mit der man ihn belehnt hatte, zu demonstrieren. Diese Begegnung war für den übernächsten Tag angesetzt.
    Der Legat hatte erwartet, einen Provinztyrannen und ungehobelten Rüpel vorzufinden; daher hatte er sich von vornherein auf eine hochmütige Miene verlassen. Überrascht mußte er erkennen, daß er einem König gegenübertreten sollte. Doch dies war nicht sofort zu erkennen. Er wurde an den Toren Jerusalems von einer militärischen Ehrenformation empfangen, die er auf ungefähr hundert Mann schätzte und der er zugestehen mußte, daß sie im Hinblick auf die Waffen wie auch ihr tadelloses Auftreten in nichts den Römern nachstand. Zum großen Erstaunen des Sekretärs schimmerte unter manchem Helm blondes Haar hervor, der Legat aber erinnerte sich, daß Cäsar Augustus persönlich dem Potentaten vierhundert gallische Gardisten zum Geschenk gemacht hatte. An die dreißig Mann von ihnen waren der Ehrenformation beigeordnet worden, sicherlich um dem Legaten Metellus in Erinnerung zu rufen, daß die kaiserliche Gunst dem Osten bereits lange vor seiner Ankunft zuteil geworden war und daß er alles in allem doch nur ein Gesandter war. Und die orientalischen Soldaten, welche den Großteil der Formation bildeten, schienen umgekehrt nicht sonderlich beeindruckt von den zwanzig römischen Legionären zu sein, denen man in Aschkelon Pferde geliehen hatte. Doch sei auch bemerkt, daß die Italer durch die Seereise einiges von ihrer herrschaftlichen Ausstrahlung eingebüßt hatten.
    Die Empfangsrede des Kommandanten der Abordnung, in ausgezeichnetern Latein gehalten, war vollendet höflich und kurz gefaßt. König Herodes der Große fühle sich geehrt durch den Besuch eines Gesandten seines mächtigen Freundes Cäsar Augustus und heiße ihn herzlich willkommen. Der erlauchte Besucher möge in dem für seine Zwecke eingerichteten Palast ein wenig ausspannen und dann dem König die Ehre erweisen, noch am selben Abend im königlichen Palast mit ihm zu speisen.
    Nach ein paar Worten des Dankes brauchte man sich nur noch auf den Weg zu machen. »Vortrefflich!« mußte der Legat seinem Sekretär gestehen. »Uns ist wohl ein Kurier von Aschkelon aus vorangeeilt, um den König zu
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