Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
sollten ihm ein paar von den süßen Zitronen bringen, die er in Messina hatte kaufen lassen. Im LAtemenlicht reparierten einige Matrosen das viereckige Besansegel. Auf Backbord und Steuerbord säten die Lichter der Galeeren, als wollten sie Neptun ehren, goldglitzernde Pailletten aufs Meer. Während er seine süßen Zitronenstückchen kaute, erkannte der Legat in einer an die Reling gelehnten Gestalt den Kaufmann. In der Finsternis war schwer auszumachen, ob der Kaufmann seinen Mantel im Wind trocknete oder ob er die Sterne beobachtete. Der Legat gesellte sich zu ihm.
    »Geht es dir besser, erhabener Metellus?« erkundigte sich der Kaufmann.
    »Ja, in der Tat. Ich habe dir zu danken. Was war das für eine geheimnisvolle Arznei, die du mir eingegeben hast? Sie hat Wunder gewirkt.«
    »Oh, nichts besonders Geheimnisvolles: etwas Ton und Nieswurz, eines der üblichen Mittel des Orients gegen die Übelkeit. Der Ton beruhigt den Magen, und die Nieswurz die Nerven.«
    »Hast du gerade die Sterne beobachtet?« fragte der Legat. »Gehört zu eurem Metier auch das Lesen der Gestirne?«
    »Nein, aber wenn man viel in diesen Regionen reist, kann man gar nicht umhin, sich mit der Astrologie vertraut zu machen.«
    »Und was sagen die Sterne?« fragte der Legat freundlich.
    »In Ägypten wurde mir gesagt, daß man in diesen Tagen nach wichtigen Zeichen am Himmel Ausschau halten solle. Eine lange Periode, die mehr als zweitausend Jahre gedauert hat, nähert sich ihrem Ende. Wir verlassen das Zeitalter des Widders, um in das der Fische überzuwechseln. Und dies müßte nach Meinung der Priester in Theben große Veränderungen mit sich bringen.«
    »Große Veränderungen«, murmelte der Legat nachdenklich. Auch er glaubte an Zeichen und Vorboten. Er hob die Augen und sah nichts als ein silbriges Flimmern. Die Zeichen sollten erst einige Monate später kommen.
    Als die »Marsiana« sich endlich Aschkelon näherte, kam es dem Legaten vor, als lebe er schon lange im Orient. Er empfand dem Kaufmann gegenüber Dankbarkeit und fragte ihn, ob er ihm mit der einen oder anderen Empfehlung dienlich sein könne. Der Kaufmann begriff sehr wohl, daß ihm auf höfliche Weise bedeutet wurde, er sei nun entlassen, und er antwortete, er fühle sich belohnt genug durch die Ehre, während der Überfahrt die Gesellschaft einer so bedeutenden Persönlichkeit geteilt zu haben. Selbstverständlich konnte sich ein Botschafter, der aus Rom kam, um sich mit einem König zu unterhalten, beim Verlassen des Schiffes nicht in Gesellschaft eines Kaufmanns zeigen. Und als der Garnisonchef, der über die Ankunft des kaiserlichen Gesandten unterrichtet worden war, herbeigeeilt kam, um diesem einen gebührenden Empfang zu bereiten, hatte sich der Kaufmann schon diskret zurückgezogen.
    Der Legat machte sich unverzüglich auf den Weg nach Jerusalem, um dort Herodes den Großen zu treffen. Man hatte ihm angeboten, in einer Sänfte zu reisen, doch er hatte sich entschlossen, die Strecke zu Pferd zurückzulegen, was der Würde eines römischen Gesandten besser entsprach, ln der Metropole mochte es angehen, daß sich die älteren Senatoren oder auch er in der Sänfte tragen ließen; im Ausland jedoch empfahl es sich, darauf zu achten, daß die Autorität des Kaiserreichs gebührend repräsentiert wurde.
    Er und seine Eskorte schlugen die direkte Straße, der Küste entlang, nach Gaza ein, dann die Straße in Richtung Norden, die über Emmaus nach Jerusalem führte. Erst später sollte der Legat anläßlich eines privaten Besuches im Land begreifen, daß dies nicht der charakteristischste Teil Palästinas war, da er weder den ländlichen Charme des grünen Galiläa noch die metaphysische Faszination aufwies, die vom orientalischen Judäa ausgeht. Dort lösen sich die judäischen Berge im metallisch glitzernden Spiegel des Toten Meeres auf, und der Wind treibt Staubwolken vor sich her wie ganze Legionen Verwünschungen wispernder Geister. Und trotzdem erlag der Legat bereits hier dem Zauber des Ostens.
    Er hatte eine recht ordentliche Bildung genossen, und so rief die öde Landschaft in ihm die Vorstellung von ehernen, ägyptischen Streitwagen wach, welche unter ohrenbetäubendem Getöse mit einem Regen von Pfeilen die Meder verfolgten. Auch das Bild anderer barbarischer Horden weckte die Landschaft, die im Westen und Süden unweit der fruchtbaren Ufer des Nils eingefallen waren. Wilde, die einem unbestimmten Traum von Überfluß nachjagten und deren primitive Waffen in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher