Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
völlig nackt, in enger Umarmung«, sagte der Kommissar, der den Fall übernommen hatte. »Der Tod hat sie überrascht in einem wahnsinnigen Rausch. Neben ihnen stand ein Tonband … es lief noch immer – das Band war aus der Spule gerissen, nachdem es abgelaufen war. Wir haben es abgespielt, natürlich … es ist ein Dokument … Sie müssen sich ein uns bisher noch unbekanntes Rauschgift injiziert haben, das ihre Herzen einfach nicht ausgehalten haben. Vielleicht war die Dosierung zu groß. Die noch gefundenen zwei vollen Ampullen sind nach Paris ins Zentrallabor geschickt worden.«
    »Können wir das Tonband hören?« fragte Hansen. Haferkamp schob die volle Unterlippe vor.
    »Warum?«
    »Hast du schon einen Menschen sterben hören?«
    »Ja. Tausende. Neben mir, vor mir, hinter mir … in Rußland und später in Frankreich.«
    »Nicht sehen – hören!«
    »Auch hören! Es klingt nicht gut, wenn einem eine Granate den halben Kopf wegreißt.«
    »Bob starb im Frieden.«
    »Irrtum! Er war im Krieg. Er lebte in einem Kriegszustand mit der Gesellschaft, er ist gefallen auf dem Schlachtfeld – auf seinem Schlachtfeld! Wenn du das Band abhören willst –«
    »Auf jeden Fall –«
    »Gut, dann kümmere ich mich um diese Claudette und ihr schönes Grab.«
    Ein Polizeiwagen fuhr sie herum … man muß so bekannten großen Deutschen gerade in einer tragischen Lage behilflich sein. Frankreich ist das Land der Höflichkeit, und wenn ein nackter Mann in den Armen einer nackten Frau stirbt, dann ist das Mitgefühl sogar der Behörden besonders groß.
    Das Tonband stand noch im Zimmer. Die Wohnung sah aus, als habe Bob sie nur zum Einkauf verlassen … als Hellmut Hansen sich setzte, war es ihm, als müsse Bob gleich hereinkommen, den Arm voller Flaschen. Nebenan im Bad aber müßte dann Wasser plätschern … und eine schöne Frau in der Tür erscheinen und sagen: »Mon Chérie … du bist so lange weggeblieben –«
    Hansen blickte auf die Couch. Auf den Polstern waren Flecken. Leichenflüssigkeit. Morgen würde man die Couch verbrennen lassen … jetzt, in diesen Minuten, gehörte sie noch hierhin. Die beiden nackten, in sich verschlungenen Körper, die verbrannten, während das Tonband lief …
    Hansen spannte die Spule ein und drückte auf den Abspielknopf.
    Ein Rauschen. Schritte, Hantieren, Klirren. Dann eine Stimme, in Töne umkleidet, unwiderstehliche Lockung.
    »Komm zu mir – nahe zu mir – Ich bin so glücklich …«
    Claudette. Das muß Claudette sein. Hansen hob die Schultern. Er fror plötzlich. Ich bin so glücklich … und der Tod kreist schon in ihr.
    Er zuckte zusammen. So nahe, als stände er hinter ihm, die Stimme von Bob.
    »Spürst du etwas?«
    »Ich liebe dich, Bob … Leg dich zu mir …«
    Stille, Rascheln, ein Knirschen von Federn. Jetzt liegt er. Hansen beugte sich vor, starrte auf die Leichenflecke in den Polstern.
    »Wie schön …« Claudette. Weltentrückt, schwebend, eine Stimme wie Harfenklang. »Wie himmlisch schön … und du wolltest mich allein lassen.«
    Er wollte sich nicht spritzen, durchfuhr es Hansen. Sie hat ihn dazu gebracht. Ich habe es geahnt, ich habe es ihm gesagt, nachdem ich Claudette zehn Minuten gesehen hatte. Du kannst sie nicht heilen, habe ich gesagt. Sie wird im Gegenteil dich mitreißen! Und er hat als einzige Waffe dagegen gehabt. »Ich liebe sie, Hellmut! Sie ist meine Lebensaufgabe geworden.«
    Wieder Ruhe. Atmen. Seufzen. Dann ein Stöhnen, dumpf, tierhaft, mehr ein Schrei. Bobs Stimme, erschrocken und doch enthusiastisch.
    »Der Himmel! Der Himmel! Claudette … was ist das? Ich fliege in die Sonne … in die Sonne … mitten in die Sonne …«
    Claudettes Antwort, unverständlich, ein Stammeln, ein irres Zerfetzen von Worten … und wieder Bob, in einer Euphorie, die Kälteschauer über Hansen jagte.
    »Diese Welt ist wie Glas. Ein Ball aus blauem Glas, und auch die Menschen sind gläsern, ich kann hinabsehen bis in das Innere, wo das Feuer lodert. Wußtest du, daß die Erde im Inneren genauso mit Adern durchzogen ist wie der Mensch? Daß sie einen Blutkreislauf besitzt? Nur ist dieses Blut glühende Lava, und das Herz ist der Magmakern in der Tiefe. Aber sonst ist alles gleich … ja, die Erde atmet auch. Sie atmet! Ich sehe, wie sie sich bläht, wie sie sich zusammenzieht, wie ihr Feuerblut durch die tausend Adern fließt, und auf diesem riesigen gläsernen Leib wimmeln die winzigen kleinen Menschen, von noch winzigeren Adern durchzogen. Aber sie haben ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher