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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seite, und blickte dem weglaufenden Bob nach. Der Kopf brummte ein wenig, aber das war ein Berufsrisiko und einkalkuliert. Der Monsieur hatte recht: Dieser Mann da war ausgebrannt. Es war ein schlapper Schlag gewesen, trotz der Schlüssel keineswegs genug, um einen Fissani niederzuschlagen. Im Ernstfalle hätte der Räuber keine Chance gehabt … ein Hieb von Fissani hätte ihn gegen die Hauswand gefeuert.
    So aber lag Fissani noch etwas auf der Straße, rechnete die Reinigungskosten für seinen Anzug ab und fand, daß dies ein glattes und einfaches Geschäft gewesen war. Erst als Bob Barreis um die Ecke der Straße verschwand, erhob sich Fissani, tastete über seinen Hinterkopf, fühlte einen spitzen, leicht blutenden Knoten und nickte zufrieden.
    Er steckte sich eine Zigarette an, sah sich um, bemerkte eine Frau, die aus einem Fenster hing, und wußte nicht, ob sie jetzt erst erschienen war oder alles mit angesehen hatte.
    »Madame –«, sagte Fissani höflich und verbeugte sich knapp – »ich bin gestolpert und unglücklich gefallen, Sie haben es gesehen …«
    »Ich kann es bezeugen, Monsieur!« Die Frau winkte ihm zu. »Was so alles auf den Straßen herumliegt, man muß sich ja eines Tages den Hals brechen.«
    »Ich danke Ihnen, Madame.«
    Fissani ließ die Zigarette im rechten Mundwinkel, steckte die Hände in die Taschen und wanderte zurück in das lichtere Cannes.
    Unterwegs machte er wieder Station bei ›Papa‹. Sein Glas Pernod rutschte über die blanke Theke.
    »Danke«, sagte Fissani. »Hast du ihn vorhin gesehen?«
    »Wen?« fragte Chabrot.
    »Den feinen Pinkel.«
    »Bin ich der Mediterrane? Bei mir trinken nur Arbeiter ihr Gläschen!«
    »Eine gute Antwort, Marcel«, sagte Fissani. »Vergiß sie nicht.«
    Er goß den Pernod in die Kehle, zahlte und ging.
    Aus wenigen Worten kann eine dicke Mauer werden.
    Bob kam zurück in sein Apartment und hörte Claudette schon auf der Treppe heulen wie einen Schakal. Sie lag noch gefesselt auf der Couch, ein zuckendes, verschnürtes Paket, um das die Haare wallten, wenn sie den Kopf auf und nieder warf, Wolken aus schwarzem Gespinst, von dem jeder Faden ein Schrei war.
    Wortlos hob Bob das kleine Päckchen hoch. Sie sah es, lag plötzlich ganz still und lächelte ihn an wie eine Madonna auf sibirischen Ikonen.
    »Du hast etwas?«
    »Vier Stück, Claudette.«
    »Hast du den Himmel geplündert, mein Liebling?«
    »Ich habe einen Menschen überfallen.«
    Ihr Lächeln wurde von einer inneren, schrecklich-schönen Sonne durchstrahlt. Sie hob den Kopf und zerrte an den gefesselten Händen. »Was ist es?« fragte sie. Daß ein Mensch niedergeschlagen worden war – vielleicht war er sogar getötet worden –, interessierte sie nicht. Ihr Blick bettelte um das kleine Päckchen in Bobs Händen.
    »Ein neues Mittel. Viermal so stark wie die anderen.«
    »Ich liebe dich«, sagte Claudette. Verzückung durchleuchtete ihr Gesicht. »O Bob, noch nie hat ein Mensch dich so geliebt … Weißt du, wo die Spritze ist?«
    »Ja. In deiner Handtasche.«
    »Hol sie. Schnell, schnell … Ich glaube, ich habe keine Adern mehr. Sie sind alle weggebrannt … einfach weggebrannt …«
    Bob wickelte das Päckchen auf. Ein kleiner, billiger Karton, mit Watte gefüllt. In die Watte gebettet wie vier Embryos, die Wärme brauchen, vier gläserne Ampullen. Wasserhelle Flüssigkeit in ihnen, an der Oberfläche, dort wo man den Ampullenhals abbrechen oder absägen muß, etwas ölig. Eine ganze herrliche Welt, zusammengepreßt in einem Kubikzentimeter Gift.
    Er setzte sich vor die Ampullen, rührte sie nicht an, sondern starrte in sie hinein wie eine Wahrsagerin in ihre gläserne Kugel.
    »Gib mir etwas!« schrie hinter ihm Claudette auf. Er zuckte zusammen, holte ihre Handtasche, zog das Etui mit dem Kolben und den Injektionsnadeln hervor, kam mit allem zurück zur Couch und setzte sich neben Claudette.
    »Soll ich so bleiben?« fragte sie. »Hast du Angst, Liebling?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich bin ein Tier, nicht wahr?«
    Er schüttelte den Kopf und band sie los. Sie schob den Rock hoch, betrachtete dann ihre Armbeugen und drückte auf die Venen, um sie besser hervortreten zu lassen. »Intravenös oder intramuskulär?« fragte sie.
    »Ich weiß es nicht, Claudette.«
    »Mach es in die Vene, das kann nie verkehrt sein.« Sie lachte mit einem Unterton von Hysterie, band mit einem Gummischlauch den linken Oberarm ab, legte sich, streckte sich und hielt ihm den Arm hin. »Kommst du mit?«
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