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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Leben mit dem Hundeblick eines Wohltäters zu erobern.« Er ließ sich in die Polster fallen und nahm den Hut ab. »Zum Flugplatz, Hubert!«
    »Jawohl, Herr Generaldirektor.«
    »Und Bob?« fragte Hansen, als er neben Haferkamp saß. »Dann hat es Bob ja richtig gemacht.«
    »Natürlich.« Onkel Theodor lehnte sich zurück. »Nur hat er auf der falschen Tasche gelegen – auf unserer. Ach ja, das ist auch eine der wichtigen Spielregeln: Friß dich nicht selbst auf, sondern grundsätzlich andere! – Bob hatte nie soviel Geist, um das alles zu begreifen. Es reichte bei ihm nur für ein kleines Stück zwischen Kinn und Knie. Darüber hinaus verstand er die Welt kaum noch. Er war ein Mann, der die Erde beben lassen konnte, der sie aus den Angeln heben wollte … Aber sein Hebel für diese Kraftleistungen war sein Penis. Mein Junge, das reicht nicht aus!«
    Um 22 Uhr 09 landeten sie mit einer kleinen Zubringermaschine, die sie in Paris gemietet hatten, in Cannes. Ein Inspektor der Kriminalpolizei erwartete sie auf dem Rollfeld mit einem großen Dienstwagen. Monsieur Blincourt, der französische Stahlkönig, hatte die Präfektur unterrichtet, wer da aus Vredenhausen anreisen würde und wer der Tote im Fiori-Haus war. Dr. Dorlach hatte auch gesorgt … keine Presse, kein Aufsehen, eine Behandlung mit berühmter französischer Diskretion und Delikatesse. Bob Barreis war kein ›Fall‹, sondern ein Unglück, ein Unfall, eine Tragödie in einer der angesehensten Familien in Deutschland. Ein Franzose, an die Tradition der großen Familien gewöhnt, hat dafür sofort Verständnis.
    »Wo ist er –?« fragte Haferkamp mit umschleierter Stimme, nachdem sich die Herren begrüßt hatten.
    »In der Anatomie des Krankenhauses, Monsieur.«
    »Anatomie?« Haferkamp wurde starr. »Mein Neffe in der Anatomie?«
    »Es war die einzige Möglichkeit, den schon angewesten Körper auf Eis zu legen und für die Überführung zu konservieren, Monsieur.« Der Inspektor hatte das erwartet, seine Rede war fehlerlos einstudiert. »Wir haben hier jetzt Tagestemperaturen von über dreißig Grad, Monsieur. Und der Tote lag vier Tage unentdeckt …«
    »Bitte.« Haferkamp senkte den Kopf. Mit Staunen sah Hansen, daß seine Trauer so überzeugend war, daß Außenstehenden die Tränen in die Augen schießen mußten. Ein gebrochener Mann fuhr zur Präfektur – das war der überwältigende Eindruck. »Und das … das Mädchen, das bei ihm gefunden wurde?«
    »Claudette wurde bereits begraben, Monsieur. Sie … sie war hier – wenn man so sagen darf – bekannt. Die Kosten hat der Staat übernommen.«
    »Ich möchte, daß diese Claudette ein gutes Grab erhält.« Haferkamp vermied es, Hansen anzublicken. Die Spielregel Nummer sieben regulierte jetzt das Leben: Sei großherzig, wo es dir selbst Nutzen bringt. »Sie war die letzte Gefährtin meines lieben Neffen. Ob eine – na ja – leichte Dame oder nicht: Sie war ein Mensch. Nicht wahr, Monsieur Inspekteur?«
    »Sicherlich, Monsieur. Ein schöner Mensch.«
    »Sehen Sie! So schön, wie sie im Leben war, soll sie jetzt im Tode schlafen. Ich werde das regeln.«
    Hansen wandte sich ab und stierte aus dem Fenster. Ihn ekelte das alles an. Mein Gott, dachte er, werde ich auch einmal so sein? Schon heute nehme ich es hin, daß man vor mir den Hut zieht und mich mit »Guten Tag, Herr Direktor« begrüßt! Ich rufe nicht schon von weitem: »Halt! Nennt mich Hansen. Ich bin einer von euch!« – Nein, ich schweige und nicke zurück, ich, der Herr Direktor. Man sollte sich selbst ankotzen und nicht wieder abwaschen. Aber dann würden zehn oder zwanzig oder hundert andere auf einen zustürzen und den ›Herrn Direktor‹ säubern.
    »Hatten Sie einen guten Flug?« fragte der Inspektor.
    »Ja, sehr gut. Eine Luft wie über den Sternen. Windstill.«
    Haferkamp lächelte. Die übliche Konversation, um Minuten zu überbrücken. Schon sahen sie das hellerleuchtete Krankenhaus.
    Hellmut Hansen schaltete geistig ab. Es hat keinen Zweck, aufzuspringen und »Hört endlich auf, ihr Idioten!« zu brüllen.
    Niemand würde ihn verstehen. Niemand.
    Sie hatten Bobs Leiche nicht mehr gesehen … der Chefarzt und der Polizeiarzt hatten davon abgeraten. In vier Tagen kann die in einer Wohnung gestaute Hitze einen menschlichen Körper fast zerfließen lassen. Ihn nachher anzusehen, ist wenig ästhetisch, auch wenn der Mensch vorher so schön gewesen war wie Claudette oder Robert Barreis.
    »Sie lagen nebeneinander auf dem Sofa,
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