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Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen
Autoren: Kerstin Hitzblech
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Europas.
    Christina entschied sich für eine modisch geschnittene Jeans
mit passendem Blazer, einige T-Shirts und ein Paar Pumps. „Du siehst einfach
toll aus, Christina! Deine Figur möchte ich haben!“ Pilar hatte ihre Freundin
stets um ihre schlanke Linie, trotz zweier Schwangerschaften, beneidet. Sie
selber war nach nur einem Kind auseinandergegangen wie ein Hefekuchen.
„Einundvierzig Jahre alt, zwei erwachsenen Kinder und immer noch die kleinste
Größe! Wie machst du das nur?“
    „Mach’ mich bloß nicht älter als ich bin. Noch bin ich
Vierzig. Aber eine Diät kann ich dir empfehlen, nämlich die
Zehn-Jahre-Knast-Diät. Die hilft immer!“ erwiderte Christina lachend. Ihren
Humor hatte sie, trotz Allem und Gott sei Dank, nie verloren. „Ne, danke“,
wehrte Pilar ab, „da bin ich lieber pummelig, meine Liebe! Und nun? Bist du
bereit für den Gang nach Canossa?“ Pilar legte den Arm um die Schulter ihrer
Freundin. „Willst du das wirklich?“ Christina hatte plötzlich Tränen in den
Augen. „Ich muss Pili, ich muss das ganz einfach machen.“
    „Okay, vamos, ich bin bei dir, cariño.“ Pilar setzte den
Wagen in Gang.

- 2 -
     
    Da war es, das Hotel Moreno del Mar, ihr altes zu Hause. Es
war inzwischen renoviert worden und sah bezaubernd aus. Unweigerlich schaute
Christina an dem vertrauten Gebäude mit seinen geraniengeschmückten Balkonen
hinauf und erblickte auf dem Dach das Penthouse.
    Wie sehr hatte sie diesen Ort geliebt! – Wie sehr hatte sie
diesen Ort gehasst! Schnell ließ sie ihren wehmütigen Blick wieder die fünf
Stockwerke des Baus heruntergleiten.
    Wer dort oben jetzt wohl wohnte? Manuel oder Isabel? Maite
mit ihrem Ehemann, David? Sie verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Wer wollte
denn in diesem Domizil noch sorglos und unbeschwert leben? Mit Sicherheit
hatten sie die Wohnung längst zu Hotelzimmern umgebaut.
    Christina drehte sich vor Aufregung beinahe der Magen um,
während Pilar nach einer Möglichkeit suchte, das Auto abzustellen. Die Anwältin
schaltete den Motor aus und zog den Autoschlüssel ab, derweil ihre Ex-Mandantin
tief Luft holte, was ihr jedoch nicht gleich gelang.
    Pilar kannte diese Attacken nur zu gut. Jedes Mal, wenn
Christina mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wurde, bekam sie diese Asthmaanfälle.
„Christina, atme ganz ruhig, hörst du? Du musst doch da überhaupt nicht hinein!
Wir können auch wieder fahren.“
    Christina bibberte am ganzen Körper und versuchte Pilars
Anweisung zu befolgen. Sie stemmte ihre Hände auf den Autositz und probierte
ihre Lunge durch tiefes Einatmen mit Luft vollzupumpen. Ihre Atembewegungen
wurden allmählich wieder gleichmäßiger. „Ich will meinen Sohn sehen, Pilar. –
Ich kann einfach nicht anders!“ Ohne ein weiteres Wort von sich zu geben, stieg
sie aus und lief zielstrebig auf den Hoteleingang zu. Dort drehte sie sich noch
einmal um. Pilar war im Wagen sitzen geblieben. „Okay, venga, vamos!“, feuerte
sie sich selber an und betrat das Haus durch das eindrucksvolle, gläserne
Portal.
    Drinnen war, wie in den Vormittagsstunden üblich, eine Menge
los. In der großzügigen, eleganten, in typisch andalusischem Stil
eingerichteten Hotelhalle tummelten sich die Gäste. An der Rezeption gab es
eine Warteschlange, und das Personal stand den Hotelgästen mit altbewährter
Freundlichkeit und stets lächelnd zur Verfügung. Christina stellte sich brav
hinten an und wartete mehr oder weniger geduldig, bis sie an der Reihe war.
    Sie beobachtete die Rezeptzionisten. Sie kannte niemanden
mehr, außer Ramón, den früheren Abteilungsleiter. Christina und er waren nicht
immer die besten Freunde gewesen. Sie hoffte inständig, an einen der anderen
seiner Mannschaft zu geraten.
    Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt,
dachte sie, als ausgerechnet Ramón seine Ex-Chefin als neuangekommenen
Hotelgast begrüßen wollte.
    „Señora, bienvenida en el Hotel Moreno del Mar!“ Der
Empfangschef hatte sie auf den ersten Blick nicht gleich erkannt. Ihm stockte
jedoch augenblicklich der Atem, als ihm bewusst wurde, wer ihm da
gegenüberstand. „Dios mío! Señora de Moreno, was in aller Welt  ...?“ Ihm stand
der Schock in das Gesicht geschrieben.
    Christina Klasen, einst Señora de Moreno, ihres Zeichens
ehemalige Vorgesetzte dieses eingefleischten Machos, unterbrach ihr
entgeistertes Gegenüber schlagartig und lächelte ihn dabei gefällig an. „Buenos
días, Ramón! Ich möchte bitte mit Manuel sprechen.“
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