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Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Titel: Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
Autoren: Keren David
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Rafs Personalien aufgenommen und hätten vorgehabt, mit seinen Eltern zu sprechen. Weil Raf noch so jung sei, hätten sie ihn nicht allein vernommen.
    »Wir werden das aber nachholen.«
    »Und wo steckt mein Bruder nun?«, fragte Jasper.
    »Er meinte, er will nach Hause.«
    Jasper legte auf. »Offenbar wollte ihm dieser Polizist bloß ein bisschen Angst machen.«
    Nick saß auf dem Sofa und drehte Georges Bauklotz in den Händen. »Bestimmt ist Rafael bei einem Freund. Er hat mir erzählt, dass er in der neuen Schule schon viele Freunde hat. Er scheint sich dort sehr wohlzufühlen. Er lernt fleißig und ist nicht mehr so niedergeschlagen wie früher. Haben Sie vielleicht eine Idee, bei wem er sein könnte, Lia?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich geh dann mal. Raf taucht bestimmt wieder auf.«
    »Lia …«, begann Nick, aber Jasper schnitt ihm das Wort ab. »Danke, dass du hergekommen bist, Lia. Rafael meldet sich bestimmt bald.«
    Kaum war ich zur Tür hinaus, rannte ich los. Durchden unheimlichen Vorgarten und dann in Richtung Hauptstraße. Ich überlegte fieberhaft, wo Raf sein konnte, was mit ihm los war …
    Und dann lief ich ausgerechnet Georgia über den Weg.
    »Hi, Lottomädchen«, sagte sie abfällig. »Suchst du deine kleine Schwester? Ich habe gehört, sie wird vermisst.«
    »Zieh Leine, Georgia.«
    »Sie hat euch bestimmt einen Schreck eingejagt.«
    Moment mal!
    »Nein, Georgia, du hast uns einen Schreck eingejagt! Du hast bei uns angerufen, gib’s zu!«
    »Angerufen? Ich?«
    »Vergiss es. Das kannst du alles der Polizei erzählen.«
    »Der Polizei? Warum?«
    »Weil Erpressung strafbar ist, darum.« Sie machte ein halb trotziges, halb ängstliches Gesicht – und ich sagte auf gut Glück: »Die Polizei weiß sowieso schon, dass du es warst. Man kann Anrufe nämlich zurückverfolgen.«
    »Ich war’s aber nicht! Das Handy gehört Alicia!«
    Ich zuckte die Achseln. »Egal. Ich will’s gar nicht wissen. Erzähl’s der Polizei. Natasha geht es übrigens gut.«
    Jetzt merkte sie erst, was ihr rausgerutscht war. »Du hast mich reingelegt, du Miststück! Du hast geblufft!«
    »So schwer war das nicht. Ich bin auch bei Facebook. Ich weiß, wie dein krankes Hirn tickt. Aber jetzt muss ich weiter. Ich suche jemanden.«
    »Wen denn?«
    »Geht dich nichts an.«
    »Du suchst Raf, stimmt’s?« Ihr Ton wurde spöttisch: »Raf, den Vampir. Wie viel hast du ihm für ein Date geboten?«
    Ich holte mit der Tasche (fünfzig Pfund, Top Shop, Kunstleder) nach ihr aus. »Nimm das zurück!«
    »Wieso sollte ich? Es stimmt doch. Er hat dich doch vorher nicht mal mit dem Arsch angeguckt.«
    »Wohl!«
    »Von wegen! Aber du kannst ihn ruhig haben. Der Typ ist doch ein Psychopath – redet mit keinem und verbringt seine Freizeit mit Toten.«
    »Raf ist kein Psychopath … er ist … äh, wie meinst du das?«
    Sie lachte. »Ich dachte, du kennst ihn so gut? Da müsstest du eigentlich wissen, dass er dauernd auf dem Friedhof rumhängt. Alicia und ich sind ihm schon oft nachgegangen. Er sitzt einfach nur da und glotzt vor sich hin. Manchmal liest er sogar!«
    Georgia gab einen Würgelaut von sich, als wäre Lesen das Allerletzte.
    »Tschüss, Georgia!« Ich ließ sie einfach stehen.
    Ich rannte zum Friedhof. Erst kurz vor dem Tor lief ich langsamer und überlegte, ob ich Jasper anrufen sollte, aber ich hatte seine Nummer nicht … oder Shazia … oder Jack. Was sollte ich machen, wenn Raf … Ich konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Oder wenn ich ihn nicht fand? Ich musste ihn finden! Ich gelobte im Stillen, ihm ein Handy mit GPS zu schenken. Dann konnte er nie wieder einfach verschwinden.
    Ich öffnete das Tor. Verfallene Familiengrüfte, verwitterte Marmorengel – aber die meisten Gräber hatten schlichte Steine, in die Namen und Daten eingraviert waren. Oft war die Schrift vom Regen ausgewaschen oder vor Moos und Dreck kaum noch zu lesen. Der Friedhof war keine Sehenswürdigkeit, kein Friedhof, auf dem berühmte Leute beerdigt waren. Hier fanden ganz gewöhnliche Londoner ihre letzte Ruhe. Es war kein Ort für Führungen oder romantische Spaziergänge. Dieser Friedhof war ein ungemütlicher, deprimierender, trostloser Ort.
    Hier trieben sich Pädophile, Exhibitionisten und andere zwielichtige Gestalten herum. Geister, Ghule und Gespenster mussten ihr angestammtes Revier mit Klebstoffschnüfflern und Junkies teilen. Freiwillig kam ich niemals hierher. Dazu hatte ich viel zu viel Angst.
    Aber die Chancen standen gut,
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