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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern
Autoren: Theodus Carroll
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Grimassen.
    Der Mann am Steuer lachte voller Freude, glücklich über den Tag, die warme Frühlingsluft und die auf dem Fluß glitzernden Sonnenstrahlen. Und über Clarissa. Er hatte Mrs. Stackpole versprochen, er werde Clarissa beschützen, und er war sich seiner Verantwortung voll bewußt. Ihr durfte nichts geschehen. Sie war so schön, wie sie da neben ihm saß, ein halbwüchsiges Mädchen, das sich eine Haarsträhne um die Nase gewickelt hatte. Sie sah schön aus, wenn sie den Kühen Grimassen schnitt. Er liebte sie in dieser Minute, weil sie ihn zum Lachen brachte, weil sie ihn glücklich gemacht hatte.
    Clarissa drehte sich auf dem Vordersitz um und sah durch das Rückfenster nach den kleiner werdenden Kühen. »Wie sind sie gestorben?« fragte sie.
    »Wie ist wer gestorben?«
    »Sie wollen es mir nicht sagen. Ich habe sie gefragt, aber sie sprechen nicht darüber.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Niemand weiß, wie sie gestorben sind«, meinte Clarissa. »Ich dachte, vielleicht wäre das das Geheimnis, das du mir verraten wolltest. Ich dachte, du wüßtest, was ihnen zugestoßen ist.«
    »Sie sind schon lange tot.«
    »Ja. Kann doch sein, daß sie es mir später einmal erzählen, oder?« Sie rutschte wieder auf dem harten Ledersitz herum. »Ich werde sie fragen, wenn wir nach Hause kommen.«
    »Und wenn sie gar nicht da sind?« fragte Max.
    Clarissa lachte. »Sie sind bestimmt da. Sie gehen nie weg.«

 
III
     
     
    Ein Stück weiter war die Straße ausgebaut und gepflastert. Vor ihnen lag die Tunnelöffnung einer Unterführung, über die hinweg die neue Autostraße führte. Max bremste plötzlich und setzte den Wagen zurück bis vor ein altes viktorianisches Haus: Holzwände mit abblätternder gelber Farbe, Türmchen, graues Schieferdach, Veranden vorn und an den Seiten. Ein richtiges Pfefferkuchenhaus. Um den Garten zog sich ein kunstvoller schmiedeeiserner Zaun, der stellenweise verrostet und zerbrochen war.
    »Warum halten wir?« erkundigte sich Clarissa.
    »Sieh mal, da im Garten! Der weiße Flieder!« Max stieg aus. »Komm nur. Das Haus ist leer.«
    Sie folgte ihm über einen unkrautüberwucherten, ansteigenden Weg zu dem verlassenen Haus hin. Ein Abbruch nackter Erde zeigte, bis wohin sich die Zähne eines Baggers vorgebissen hatten.
    »Gib auf Giftefeu acht«, rief Max über die Schulter zurück.
    Vor der absackenden Veranda blühte ein üppiger Busch weißen Flieders. Max holte sein Taschenmesser hervor und kniete sich auf die Erde.
    »Willst du den Strauch ausgraben?«
    »Nur einen Teil. Fünf oder sechs Ableger genügen.« Behutsam schnitt er einige frische Triebe ab.
    »Warum schneidest du sie ab?«
    »Auf diese Weise sind die Wunden glatt.« Er legte die Ableger auf das dichte Gras und setzte sich gemütlich in den angenehmen Schatten.
    »Ist das Diebstahl?« Clarissa setzte sich neben ihn.
    »Nein. Wenn wir wüßten, wem das Haus gehört, könnten wir fragen. Aber es macht wohl nichts aus, ob wir ein paar Pflanzen mitnehmen.« Max betrachtete den verwilderten Garten. »Das muß einmal ein gepflegter Besitz gewesen sein. Da drüben in dem hohen Gras kannst du noch erkennen, wo der Französische Garten angelegt war.«
    »Du meinst, hier hat es einmal Wege und Einfassungen und all das gegeben?«
    »Und einen Pavillon. Man sieht noch, an welcher Stelle er abgerissen worden ist.«
    Clarissa stand auf und schob sich ihr langes Haar aus der Stirn. Sie lief zu der Stelle, auf die Max zeigte. »Hier sind gerade Reihen von kleinen Büschen im Gras«, rief sie vom anderen Ende des Gartens hinüber. »Und eine Menge blauer Schwertlilien.« Mit mutwilligen Sprüngen kehrte sie zu ihm zurück und warf sich in das hohe Gras. »Wie kommt es, daß du soviel über Gärten weißt? Wo hast du das gelernt? Bestimmt nicht in irgendeiner dummen Schule.« Sie lächelte. »Du bist richtig gelehrt, Maxie, wenn du über etwas sprichst, das dich interessiert.«
    Max lachte. »Das Wachsen der Pflanzen hat mich immer beschäftigt. Als ich ein Junge war, gärtnerten meine Mutter und ich gemeinsam. Sie hatte einen prächtigen Garten wie eine blühende Wiese, und hier und da waren Fleckchen mit Gemüse eingestreut. Nirgends gab es eine gerade Linie, eine Anlage oder einen Plan.« In der Erinnerung daran lächelte er. »Wenn kein Platz mehr war, um etwas Neues zu pflanzen, grub sie einfach das nächste. Stück um, streute etwas Düngemittel darauf und setzte ihre Ableger. Und über diesen bunten Garten tanzten Dutzende von
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