Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern
Autoren: Theodus Carroll
Vom Netzwerk:
Tag?«
    »Der letzte für alle Zeiten. Ich hasse diese Schule.«
    »Es gibt andere. Bitte doch deine Eltern, sie sollen dich in eine andere Schule schicken.«
    »Max, bist du eigentlich mit einem niedrigen Intelligenzquotienten geboren? Warum bist du so felsenfest davon überzeugt, die Schule sei die Antwort auf alle Probleme? Nun sag mal, was hat dir denn die Schule genützt? Ich hasse die Schule, und ich werde nie wieder hingehen.«
    Max lachte. »Du hast das Kribbeln.«
    »Was ist das?«
    »Der Frühling steckt dir im Blut. Die Vögel fangen dann an, ihre Nester zu bauen. Die Luft ist weich, aber irgendwie aufregend.« Er grinste. »Zum Teufel, du weißt schon, was ich mit Kribbeln meine.«
    Clarissa legte sich der Länge nach ins Gras und stopfte sich ihre Bücher unten den Kopf. »Du darfst in meiner Gegenwart nicht fluchen«, tadelte sie. »Wenn du diesen Sommer hier leben willst, mußt du das Fluchen sein lassen.«
    »Okay.« Er hockte sich neben sie ins Gras. »Ich werde nicht mehr fluchen, und du wirst dich an die Schule gewöhnen.«
    »Ich habe bereits gesagt, ich werde nicht wieder hingehen. Sie sind auch nicht zur Schule gegangen. Ihr Vater hat sie unterrichtet.« Clarissa schenkte Max ein strahlendes Lächeln. »Das ist übrigens eine Idee. Du kannst mich unterrichten. Du wirst ganz allein mein Privatlehrer sein. Bestimmt könntest du mir eine Menge beibringen.«
    »Ich weiß Bescheid über Pflanzen. Ich könnte dir beibringen, wann man Zwiebeln stecken muß.«
    Clarissa rollte sich auf die Seite und stützte sich auf einen Ellbogen. »Sind das hier Erdbeerpflanzen?«
    »Warte mal. Wer ist nicht zur Schule gegangen?« erkundigte Max sich verwirrt.
    »Warum kannst du nicht beim Thema bleiben?« Ihre blauen Augen funkelten ihn an. »Sie sind nicht zur Schule gegangen. Die Zwillinge, von denen ich dir an meinem Geburtstag erzählt habe. Ihr Vater unterrichtete sie, und er hatte eine Tafel und Kreide. Ich trage meine Bücher so wie sie. Siehst du?« Clarissa hob die Bücher an dem Lederriemen hoch. »Miß Wilson sagt, ich müsse eine Tasche benutzen, weil der Riemen die Einbände verdirbt. Aber ich höre nicht auf sie. Mir gefällt der Riemen besser.«
    Clarissa ließ sich wieder auf den Rücken sinken. »Sieht der Himmel über den Zweigen nicht wunderschön aus? Sogar die Vögel wirken ganz anders. Es ist ein herrlicher Ausblick. Leg dich neben mich, Max, und sieh selbst.«
    »Clarissa … du weißt doch, daß hier im Haus keine anderen Kinder sind.«
    Sie sah den neben ihr sitzenden Max an. »Wer hat gesagt, sie seien hier im Haus?«
    »Hör auf, mich zum besten zu halten.«
    »Ich halte dich nicht zum besten!« fuhr sie ihn an. »Du weißt schon die ganze Zeit, daß sie hier sind. Warum gibst du es nicht zu?« Sie setzte sich hoch und schüttelte ihr langes Haar zurück. »Ich lüge nicht!«
    »Ich habe nie gesagt, du würdest lügen.«
    Clarissa zupfte lose Grashalme von ihrem Rock und blickte den Hang hinunter zum Fluß. »Ich mag sie gern«, gestand sie leise. »Jetzt reden sie mit mir, und wir sind Freunde geworden. Sie erzählen mir wunderschöne Geschichten über dies Haus.« Langsam stieg in ihrer Stimme eine Art Begeisterung auf. »Wenn ihre Großmutter eine Gesellschaft gab, standen die ganze Zufahrt entlang Pferdekutschen. Die Zwillinge benutzten genau wie wir die untere Veranda, aber die Gäste gingen alle die Stufen hoch und dann in den Ballsaal hinein. Die untere Veranda war für die Dienstboten und die Zwillinge. Man nennt diesen Haustyp ein englisches Sockelhaus, haben sie mir gesagt.«
    Clarissas Augen versprühten blaues Feuer. »Die Gesellschaften fanden oben in dem Doppelzimmer statt. Und im Mai war die Zufahrt mit Tausenden von Tulpen eingesäumt. Auf den schwarzen Tulpen sah man den Staub, den die Kutschen aufwirbelten.«
    »Wann haben sie dir das erzählt?«
    »Seit meinem Geburtstag. Sie wissen, wie es ist, wenn man nie Freunde hat.« Ihr Blick faszinierte Max. »Und sie sprechen mit niemandem außer mit mir.«
    Max betrachtete ihr glattes Gesicht und das lange helle Haar, das ihre Schultern umspielte. »Warum hast du keine Freunde? Den Mädchen von der Schule hat es doch auf deiner Party gefallen. Lade sie wieder ein.«
    »Die dummen Gänse aus dem Internat haben Angst vor diesem Haus. Sie sind auch komisch gegen mich, weil ich hier wohne.«
    Max überkam das bekannte Gefühl geistiger Verwirrung. Die Unterhaltung war zu kompliziert für ihn. Was gab es an dem Haus zu fürchten?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher