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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
Autoren: Kofi Annan
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für die Menschenrechte einen schweren Schlag versetzt. Selbstverständlich waren auch die Gegner der Vereinigten Staaten und Großbritanniens im Sicherheitsrat, die das Prinzip zu verteidigen behaupteten, von nationalen Interessen geleitet. Vor allem wollten sie verhindern, dass die Vereinigten Staaten eine Lizenz erhielten, nach eigenem Gutdünken zu handeln, wann immer und wie immer es ihnen beliebte. Heute mochte es der Irak sein, doch wer würde es morgen sein? – so fragten sie sich.
    Für diese Staaten hatte die Eindämmung der Vereinigten Staaten – eines Gründungsmitglieds der Vereinten Nationen, das zu den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats gehörte und eine Stütze der globalen Sicherheit war – Priorität vor der Notwendigkeit, einen Aggressor wie den Irak einzudämmen. Dass Washington diese Veränderung seiner globalen Stellung zuließ, offenbarte nicht nur ein historisches Versagen seiner Diplomatie, sondern war auch eine Tragödie für das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit auf der ganzen Welt.
    Letzten Endes wurde die Irakpolitik der Vereinten Nationen von einer tiefen, unversöhnlichen Spannung geprägt: Einerseits hatte Saddam offensichtlich nicht die Absicht, den UN -Forderungen jemals in vollem Umfang und auf verifizierbare Weise nachzukommen; andererseits waren die Vereinigten Staaten und Großbritannien nicht bereit, ihn wieder in die Weltgemeinschaft aufzunehmen, selbst wenn er es getan hätte. Beide Seiten kannten die Haltung der anderen, und die UNO steckte in der Mitte fest. Dann kam der 11. September 2001, und eine erschütterte, wütende und zutiefst ideologisch motivierte Regierung Bush ging daran, Saddam zu stürzen – obwohl es dafür keine rechtliche Grundlage gab. Die UNO war nie eine pazifistische Organisation. Aber wenn sie sich in der Frage von Krieg und Frieden nicht an die Grundsätze ihrer Charta hielte, würde sie sich nicht nur außerhalb des Rechts stellen, sondern auch ihre globale Legitimität verlieren.

Epilog
    TRÄUME EINES
REALISTEN
    Ein Suaheli-Sprichwort lautet: »Den Wind kannst du nicht drehen, also drehe das Segel.« Das Segel zu drehen – von Konfliktprävention zu den Themen Wirtschaftsentwicklung, Friedenssicherung, Menschenrechte und Klimawandel – liegt heute mehr denn je in unser aller Hände. Der Wind nimmt seinen eigenen Kurs, aber Männer und Frauen in jeder Gesellschaft haben heute die Fähigkeit, ihr Schicksal auf eine Weise selbst zu bestimmen, die in vergangenen Epochen undenkbar war. Tyrannen und Frömmler, Warlords und Kriminelle, die Ausbeuter von Humankapital und die Zerstörer unserer Naturressourcen werden immer unter uns sein, aber ihre Segel sind nicht die einzigen, die den Wind nutzen können.
    Anfang 2011 setzte in der arabischen Welt ein Sturm des Wandels ein. Im arabischen Frühling begehrten überall in der Region junge Leute auf, die sich nach Würde sehnten und die Chance und die Freiheit forderten, ihr Verlangen nach einem besseren Leben zu erfüllen. Gegen diese Kraft gab es keinen Widerstand – jedenfalls nicht lange. Ähnliches war in Afrika, in Lateinamerika und in Asien geschehen, und jetzt war endlich die Zeit der arabischen Welt gekommen. Nirgends widersetzte sich ein Regime diesem Wandel grimmiger und hartnäckiger als in Syrien. Im Verlauf eines blutigen Jahres, das im März 2011 begann, wurde die Welt Zeuge, wie die syrische Jugend Woche für Woche auf die Straße ging, um für eine bessere, gerechtere, verantwortungsvollere Regierungsform zu demonstrieren. Während die Proteste zunahmen und der bewaffnete Widerstand stärker wurde, griffen die Sicherheitskräfte immer härter durch. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich dies schreibe, hat ihr Vorgehen schätzungsweise 10000 Zivilisten das Leben gekostet. Der syrische Frühling ist in einen eskalierenden Bürgerkrieg umgeschlagen.
    Im Februar 2012, während ich zu Hause in Genf die letzte Ausarbeitung dieses Buchs durchsah, rief mich mein Nachfolger im Amt des UN -Generalsekretärs, Ban Ki-Moon, an. Er wollte wissen, ob ich die Bitte einer Gruppe von Außenministern, die er mir übermitteln sollte, annehmen würde, als Abgesandter der Weltgemeinschaft nach Syrien zu gehen. Man brauche einen Vermittler, der sich mit den inneren, regionalen und internationalen Gegensätzen auseinandersetzen und versuchen würde, sie friedlich zu lösen. Ich willigte ein, obwohl ich wusste, wie schwierig es sein würde, die Feindseligkeit zwischen den Konfliktparteien zu überwinden
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