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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
Autoren: Kofi Annan
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Beschaffungspraxis, unvollkommener Buchprüfung und insgesamt ungenügenden Managements, für die letztlich ich als Generalsekretär verantwortlich war, versagt. Dass jedoch der Erdölschmuggel – der von den westlichen Mächten geduldet sowie mittels Tausender korrupter Verträge abgewickelt wurde, die Unternehmen aus Ländern mit einem Sitz im Sicherheitsrat geschlossen hatten – dem Programm weitaus mehr schadete und viel schlimmere Folgen nach sich zog, wurde und wird in der Regel ausgeblendet.
    Nach der Veröffentlichung des abschließenden Berichts der Volcker-Kommission, der mich von allen Vorwürfen im Zusammenhang mit Cotecna entlastete, erhielt ich einen Anruf von Bill Clinton, der während der gesamten Affäre seine Freundschaft zu mir und zugleich einen einzigartigen Blick für die Kräfte, mit denen ich es zu tun hatte, bewiesen hatte. Er berichtete mir von einem Gespräch mit George W. Bush, in dem er Bush gewarnt hatte: »Sie wollen nicht Kofi Annans Blut an den Händen haben«; daraufhin habe Bush erwidert: »Die Leute vom rechten Flügel wollen die Vereinten Nationen zerstören, ich aber nicht.« Obwohl die Ideologen in der Bush-Administration, die ihr Land und die Welt in einen verhängnisvollen Krieg geführt hatten, die UNO durch die Anwürfe gegen sie und mich als ihren Generalsekretär sprengen wollten, gewann letztlich die Staatskunst die Oberhand. Washington begriff nach und nach, dass die UNO wieder in die Lage versetzt werden musste, ihre unentbehrliche Rolle bei der Schaffung und Wahrung der internationalen Sicherheit auszufüllen.
    Nach dem Ende des Bombardements: die Lehren aus dem Irakkrieg
    »Was geschieht nach der Bombardierung? Was ist am Tag danach? Was dann?« Dies waren die Fragen, die ich den Staats- und Regierungschefs der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats während der langen, qualvollen Phase vor der Invasion des Irak öffentlich und persönlich gestellt hatte. Wir befanden uns in einem Wettstreit von Resolutionen, Rechten, vermeintlichen Bedrohungen und angeblichen Chancen zur Umgestaltung der strategischen Landschaft. Ich agierte als Dolmetscher und gelegentlich als Schiedsrichter, sie als Gladiatoren in der Arena. Die Frage nach den Auswirkungen des Krieges und der Zukunft des Irak im Anschluss an eine unter dem Motto »Schock und Schrecken« vollzogene Invasion fand nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdiente. Heute, angesichts der Trümmer eines erst kürzlich beendeten zehnjährigen Bürgerkriegs, wird dieser Feststellung kaum jemand widersprechen. Der unilaterale Krieg, der die Tyrannei im Irak durch Anarchie ersetzte, hält Lehren für alle Mitglieder der Weltgemeinschaft bereit: über die Notwendigkeit von Legalität und Legitimität beim Einsatz von Gewalt, die grundlegende Bedeutung von Planungen für die Entwicklung nach einem Konflikt und die elementare Bedeutung der Sicherheit als Basis jeden Wiederaufbaus.
    Ebenso wichtig ist die Einsicht, dass die Torheit des Irakkriegs, zusammen mit dem Elend und Chaos, die er der Bevölkerung des Landes und der Region gebracht hat, künftige Interventionen keineswegs ausschließt. Vorausgesetzt, sie werden vom Sicherheitsrat gebilligt, dienen der Beendigung einer akuten humanitären Krise und haben gerechte und legitime Gründe. Im Fall des Irakkriegs konnte die Resolution des Sicherheitsrats, auf die sich die Vereinigten Staaten und Großbritannien als Grundlage ihres Handelns beriefen, ebenso gut entgegengesetzt ausgelegt werden. Der Sicherheitsrat hatte selbst erklärt, dass er darüber befinden werde, ob Saddam seine Verpflichtungen nicht erfüllt und er deshalb ernste Konsequenzen zu erwarten habe. Deshalb wäre eine zweite Resolution unbedingt notwendig gewesen. Es oblag dem Sicherheitsrat, festzustellen, ob Saddam seinen Verpflichtungen nachkam oder nicht. Und ebenso oblag es, unabhängig davon, dem Sicherheitsrat, die Konsequenzen zu bestimmen, falls er es nicht tat. Es stand einzelnen Mitgliedsstaaten nicht zu, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen.
    Als die Vereinigten Staaten und Großbritannien erkannten, dass sie die neun Stimmen, die für die Ermächtigung durch den Sicherheitsrat erforderlich waren, nicht zusammenbringen würden, hatten sie die Wahl: Sie hätten den Inspektionen mehr Zeit geben können, um mehr Beweise für ihre Vorwürfe zu bekommen und auf diese Weise Unterstützung für eine Zwangsmaßnahme zu gewinnen. Stattdessen missachteten sie wissentlich jene Autorität, die zu
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