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Ein Kuss unter dem Mistelzweig

Ein Kuss unter dem Mistelzweig

Titel: Ein Kuss unter dem Mistelzweig
Autoren: Abby Clements
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stoppen, die ihr nun haltlos über die Wangen liefen. »In China – keine Ahnung, da war ich nicht ich selbst. Ich konnte dort keinen klaren Gedanken fassen.«
    Lauries Leben war aus dem Gleichgewicht geraten, und dafür gab es nur einen einzigen Grund. Sie dachte an den Sommer vor ein paar Monaten zurück. Doch nun wehte draußen vor Siobhans Fenstern der kalte Novemberwind, und ihr Leben lag in Scherben – die Sache mit Jay schien da eine Ewigkeit her zu sein.
    Jay lag in der gestreiften Hängematte auf Lauries Dachterrasse und wiegte sich sanft hin und her, während er ihr eine Bierflasche öffnete. Aus Lauries iPod-Dock dudelte Siebzigerjahre-Groove, ein beschwingter Soundtrack für die heiße Sommernacht. In jener Nacht waren sie alle zusammen ausgegangen und hatten sich einen Film im Open-Air-Kino im Park angesehen. Doch schon vor Mitternacht war Siobhan unten auf Lauries Bett eingeschlafen.
    Laurie setzte sich neben Jay. Als er ihr die offene Corona-Flasche reichte, entging ihr nicht, wie sich sein weiß-grau gestreiftes T -Shirt, kombiniert mit einer verwaschenen Jeans, von seiner sonnengebräunten Haut abhob. Die Flip-Flops hatte er neben ihren stehen gelassen. In der Hängematte, die Lauries Mutter ihr aus Spanien geschickt hatte, gab es eigentlich mehr als genug Platz, da sie für zwei Personen vorgesehen war, doch die Schwerkraft führte sie in der Mitte zusammen. Laurie blinzelte zu ihm hinüber. Mit den Bartstoppeln, die sich am Abend zeigten, und dem dunklen Haar, das er nun ein wenig länger trug, sah er genauso aus wie an dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten; damals hatte er einen Gitarrenkoffer nach oben in seine Wohnung getragen. Jay drehte sich zu ihr um und lächelte. So, als würde er gar nicht die Tatsache bemerken, dass die eine Seite ihres Körpers, der in einen trägerlosen türkisfarbenen Overall gekleidet war, unsittlich nah an seinen Körper gepresst wurde.
    »Siobhan verpasst den wunderbaren Nachthimmel«, erklärte Jay und neigte den Kopf, um nach drinnen zu schauen. Laurie lehnte sich in der Hängematte nach hinten und blickte hinauf. Trotz all des künstlichen Lichts aus den Bars, Büros und Läden in South London strahlten die Sterne hell am Nachthimmel.
    »Das stimmt«, erwiderte Laurie und spürte dabei Jays Körper. Sie fühlte die Wärme seiner Arme und roch seinen kaum wahrnehmbaren, sauberen Geruch, einen Hauch von Zimt. Jetzt hör schon auf, ermahnte sie sich. Sie musste doch betrunkener sein als gedacht! Schnell trank sie noch einen Schluck Bier und setzte die Flasche auf den kleinen Holztisch, den er ihr im Frühjahr gebaut hatte, als er gerade die Schreinerei angemietet hatte.
    »Vielleicht ist das aber auch gar nicht so schlecht«, stellte Jay fest; der warme Blick seiner braunen Augen ruhte auf ihr, »dass Siobhan eingeschlafen ist.«
    Jays Stimme klang irgendwie anders, viel weicher als sonst. Das war nicht sein gewohnter Tonfall, den er anschlug, wenn es um nachbarschaftliche Dinge ging, wie zum Beispiel, wenn er ihr ein Paket Milch borgte oder sich von ihr die Mad Men - DVD -Box auslieh.
    »Was meinst du damit?«
    »Es ist schön, mit dir allein zu sein«, erwiderte er. Unbeirrt schaute er ihr in die Augen.
    Okay, dachte Laurie. Das wurde jetzt echt schräg. Sie schaute fort und legte sich schnell ein paar Fluchtpläne zurecht. »Findest du die Musik zu laut?«, fragte sie und wollte aufstehen.
    »Alles gut«, versicherte er. »Ehrlich.« Er nahm ihre Hand, bevor sie aufspringen konnte. Es fühlte sich schon irgendwie gut an, ihre schmale Hand in seiner großen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
    Und dann – beugte sich Jay vor, und sie küssten sich. Seine Hände ruhten dabei auf ihren nackten Armen, und auch sie küsste ihn, küsste Jay. Jay von einem Stockwerk tiefer. Und es fühlte sich verdammt gut an.
    Sie wich zurück, woraufhin Jay ihr eine dunkle Haarsträhne hinters Ohr zurückschob. Sie starrten einander an, bis Jay lachen musste und damit die Spannung löste. »Das ist schon irgendwie komisch, oder?«, stellte er fest und spielte mit ihrer Hand, indem er mit dem Zeigefinger über ihre Handfläche strich. Sie nickte. Seit einem Jahr waren sie befreundet – und jetzt das. Klar, sie hatte gleich etwas gespürt, als sie sich kennengelernt hatten – ihr war nicht entgangen, dass ihr neuer Nachbar von unten ziemlich attraktiv war. Doch dann hatten sie sich kennengelernt und angefreundet, sodass sich die Chemie offenbar zugunsten einer Stimmung
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