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Ein Kuss unter dem Mistelzweig

Ein Kuss unter dem Mistelzweig

Titel: Ein Kuss unter dem Mistelzweig
Autoren: Abby Clements
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ihr vorbeijagten. Der Plan für heute war recht einfach: Sie würde die frisch angelieferten Taschen schnell noch einmal in Augenschein nehmen und grünes Licht geben, damit sie rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft an die Läden ausgeliefert werden konnten – und dann die Stadt durchqueren, um die gesamte Navajo-Produktpalette bei der speziell dafür ausgerichteten Präsentationsfeier zu bewerben. Seitdem Laurie zur Chefdesignerin der Accessoiresparte aufgestiegen war, hatte noch keine andere ihrer Kollektionen so viel Beachtung in den Medien gefunden. Sie war bereit für diesen großen Augenblick.
    Zur Feier dieses Ereignisses trug sie ein tailliertes, schiefergraues Kleid und schwarze, kniehohe Stiefel. Ihren kastanienbraunen, glänzenden Bob hatte sie glattgeföhnt und dazu großzügig Eyeliner und Lidschatten in der Farbe »smoky grey« aufgetragen, um von ihren dank des Schlafmangels rot geränderten Augen abzulenken. Den größten Teil der Nacht war sie wach gewesen, um immer wieder auf ihr iPhone zu schauen, damit sie den Verlauf der Warenauslieferung im Blick hatte. Ein technisches Problem in der Fabrik hatte sie schon um drei Tage nach hinten geworfen, sodass der Zeitrahmen nun recht eng war – es blieb absolut kein Spielraum für mögliche Fehler.
    Die ersten tausend Taschen sollten um Punkt 8 Uhr in der Frühe geliefert werden. Nervös trommelte Laurie mit den Fingern auf die Tischplatte, während sie dabei zusah, wie die Minuten verstrichen.
    »Sind Sie sicher, dass unten nichts angekommen ist?«, fragte Laurie hektisch und hielt dabei den Telefonhörer in der einen Hand, während sie mit der anderen die Website des Kurierdienstes anklickte. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, noch einmal nachzuschauen?« Sie kaute auf ihrer Lippe herum. »Die Taschen hätten eigentlich vor einer halben Stunde geliefert werden sollen.«
    Ihr klopfte das Herz bis zum Hals. Wenn sie sich die Online-Sendungsverfolgung anschaute, sah es eigentlich so aus, als sei die Lieferung bereits eingetroffen.
    »Hier unten ist nichts«, erwiderte der junge Mann in der Poststelle. »Es sei denn … Sie arbeiten für Danny Graham, nicht wahr? Dann können die Pakete auch direkt zu ihm hochgebracht worden sein.«
    Aus dem offenen Bürotrakt tönte Lärm zu Laurie hinüber – eine Diskussion, die draußen vor ihrem Büro lautstark geführt wurde, gefolgt von einem Klopfen an ihrer Tür. Durch die Milchglasscheibe erkannte sie ihren Chef, Danny. Schnell bedankte sie sich bei dem jungen Mann in der Poststelle und legte den Hörer auf.
    »Komm rein«, rief sie.
    Danny öffnete die Tür und steckte den Kopf durch den Spalt. Mit seinem schwarzgefärbten Haar, den schlecht sitzenden Anzügen und den wild wuchernden Augenbrauen war es Laurie immer noch ein Rätsel, wie er es jemals durch die Bürotüren von Seamless geschafft hatte – ganz zu schweigen davon, wie er damit zum Chef befördert worden war. In einem für Seamless recht seltenen Moment hatte wohl der Geschäftssinn über das Gespür für Mode gesiegt.
    »Hi, Laurie.«
    »Danny, hallo!«, rief Laurie und entdeckte sofort, dass er einen der Kartons aus der Warenanlieferung in der Hand hielt.
    Den Pappkarton stellte er zwischen sich und Laurie auf dem Tisch ab. »Sie sind da.«
    Vor Aufregung schlug sich Laurie eine Hand vor den Mund, als er eine der hellbraunen, geflochtenen Ledertaschen in die Höhe hielt, an denen sie das letzte Halbjahr gearbeitet hatte. Die Rundungen der Tasche waren zart, das Leder besaß einen leichten Glanz, und die kleine Troddel, die an der Seite hing, verlieh der Tasche einen letzten Hauch modischer Eleganz. Laurie beugte sich vor, um über das Material zu streichen, und musste lächeln – die Tasche war einfach perfekt.
    »Wow. Wunderschön, nicht wahr?«, fragte sie und strich mit dem Finger über die schmale goldene Schnalle. »Und du dachtest, dass Känguruleder ein absolutes No-Go sei! Komm schon, Danny, das Material ist unglaublich. Weich und dennoch strapazierfähig. Die Kängurus werden durch die Navajo-Kollektion unsterblich gemacht!«
    »Na ja«, entgegnete Danny, während sein Gesicht immer röter wurde. Irgendwie wirkte er gar nicht so entspannt oder aufgeregt, wie sie es erwartet hatte. »Da bin ich nicht so sicher.« Er deutete auf das Firmenlogo von Seamless.
    Oder vielmehr dahin, wo es sich hätte befinden sollen. Als Laurie genauer hinsah, um den Schriftzug zu beäugen, traf sie die Erkenntnis wie ein Blitz. Ihr verschlug es den
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