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Ein Kuss unter dem Mistelzweig

Ein Kuss unter dem Mistelzweig

Titel: Ein Kuss unter dem Mistelzweig
Autoren: Abby Clements
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trotz der aufsteigenden Panik nach außen hin ruhig und gelassen zu geben. »Ich kümmere mich heute darum, Danny. Ich werde mit der Fabrik sprechen und irgendetwas entwerfen, einen …« Sie versuchte, auf die Schnelle eine praktikable Lösung herzuzaubern. »Keine Ahnung, einen Flicken oder …« Sie geriet ins Stottern. Plötzlich war da ein Kloß in ihrem Hals, sodass ihr die Worte ausgingen.
    »Laurie.« Danny musterte sie fragend. »Die Sache ist die : Das sieht dir gar nicht ähnlich. Was ist los?«
    »Nein, alles in bester Ordnung«, entgegnete sie. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie ihren Chef ansah, den sie so bitter enttäuscht hatte. »Ich kann das wieder in Ordnung bringen. Und Gillian …« Sie dachte an die Wut der Geschäftsführerin Gillian – die Frau, für die sie in den letzten Jahren wirklich alles gegeben hatte, um sie zu beeindrucken. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich, da ihr just in diesem Moment klar wurde, dass Danny ihre Reaktion wahrscheinlich schon mit aller Wucht zu spüren bekommen hatte. »Sie kann nicht ewig so wütend bleiben. Ich meine – sie wird sich doch wohl noch an die Bronzegürtel erinnern, oder? Die, die wir letzten Sommer verkauft haben und die alle Verkaufsrekorde gebrochen haben?«
    »Ich bin sicher, dass sie sich noch an die Gürtel erinnert«, erwiderte Danny, doch die Anspannung in seiner Miene blieb.
    Laurie packte die Angst. Sie wusste nur allzu gut – und hatte es während des letzten Jahres immer wieder mit eigenen Augen gesehen –, dass nahezu jeder bei Seamless austauschbar war. Da die Gesellschafter immer höhere Renditen forderten, war der Druck abzuliefern größer als je zuvor. Von jedem Angestellten wurde erwartet, zum Wertzuwachs beizutragen; während des letzten Kündigungsrundumschlags war dies allen noch einmal deutlich vor Augen geführt worden. Laurie war klar, dass dies genau die Sorte kostspieliger Fehler war, durch den sie vor die Tür gesetzt werden konnte, damit ein preiswerterer, jugendlich frischer Uniabsolvent wie Jacques auf ihren noch warmen Bürosessel hüpfen konnte.
    Dannys Miene wurde weicher. »Laurie, was ist wirklich los?«
    Blitzlichter der letzten Monate ihres Lebens kamen ihr in den Sinn: China, New York, Paris, Berlin, Rom. Seit dem Sommer hatte ein Jetlag den nächsten gejagt; sie hatte während der diversen Nachtflüge fieberhaft Skizzen entworfen und auf ihrem iPad Mails getippt, um sich auf Meetings vorzubereiten. Während sie jedoch für gewöhnlich durch den Druck in ihrem Nacken erst richtig aufblühte, hatte sie sich dieses Mal sehr schwergetan und mehrfach die Konzentration verloren. Dafür gab es einen Grund: Als sie nämlich vor zwei Wochen ein blondes junges Mädchen in Jays Wohnung hatte gehen sehen – womit ein Schlussstrich unter alles gezogen war, was sie gehabt haben mochten –, hatte es sie alle Kraft gekostet, nicht daran zu zerbrechen.
    »Danny, ich weiß, dass du ein großes Risiko eingegangen bist, als du mich befördert hast. Aber ich habe doch immer vollen Einsatz für die Firma gezeigt, nicht wahr? Die letzten Wochen waren einfach nur so …«
    Sie verstummte, ihr Satz blieb unvollendet. Der Job, für den sie so hart gearbeitet hatte, hing am seidenen Faden – aber was konnte sie schon zu ihrer Verteidigung vorbringen? Dass die Gewissheit ihr das Herz brach, dass der Mann, den sie gern hatte, ja vielleicht sogar liebte, einen Schlussstrich unter ihre Beziehung gezogen hatte? Dass sie Jay nicht mehr aus dem Kopf bekam und sie sich darum nicht mehr auf Logos, Schnallen oder überhaupt irgendetwas anderes konzentrieren konnte?
    »Laurie«, hob Danny nach einer Weile an. »Niemand hier zweifelt an deinem Engagement. Nichtsdestotrotz muss ich dich aber von der Navajo-Kollektion abziehen.«
    »Nein!«, schrie Laurie verzweifelt. »Das kannst du doch nicht machen! Komm schon, Danny! Ich weiß, dass ich es verbockt habe, aber lass es mich bitte wieder in Ordnung bringen. Das war eine einmalige Sache!«
    »Navajo ist unsere Kollektion mit dem größten Medieninteresse, Laurie, da können wir nicht noch weitere Fehler riskieren.« Er schlug den Blick zu Boden. »Wir brauchen an dieser Stelle jemanden, auf den wir uns hundertprozentig verlassen können.«
    »Du kannst dich auf mich verlassen«, beharrte Laurie. »Das weißt du auch.«
    »Laurie, hör zu – es tut mir leid«, entgegnete er und sah wieder zu ihr auf. »Ich weiß, wie talentiert du bist – und ich habe durchaus gesehen,
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