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Ein Kuss unter dem Mistelzweig

Ein Kuss unter dem Mistelzweig

Titel: Ein Kuss unter dem Mistelzweig
Autoren: Abby Clements
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diesen Wohnblock gezogen war.
    »Imelda Marcos ist nichts im Gegensatz zu dir«, hatte Siobhan festgestellt und die Schuhkartons beäugt, die beinahe jeden Zentimeter der Eingangshalle unten in Beschlag genommen hatten. Siobhan war kaum größer als ein Meter fünfzig, doch mit ihrem langen, feuerroten Haar und der lauten Stimme mit dem breiten irischen Akzent war sie kaum zu übersehen und -hören.
    »Mittlerweile bedauere ich das sehr«, hatte Laurie erschöpft gelacht. Sie besaß kaum nennenswerte Möbel – in ihren Zwanzigern war sie von einer möblierten Wohnung in die nächste gezogen und hatte sich mit jeder Lohnerhöhung verbessert. Doch die Sammlung ihrer Accessoires war unübertroffen. Die Männer vom Umzugsunternehmen, das sie beauftragt hatte, hatten ihre Kartons mit Schuhen und Kleidern kurzerhand unten in der Eingangshalle abgestellt und sie dann dort stehen gelassen.
    »Komm schon«, hatte Siobhan erklärt. »Wenn du mir ein Paar schenkst, dann helfe ich dir. Hast du ein Paar in Größe drei, das du nicht mehr brauchst?«
    Zusammen hatten sie alle Kartons nach oben getragen. Nachdem auch der letzte Karton oben angekommen war, hatte Laurie eine Flasche Rotwein geöffnet und diesen ihnen beiden in Tassen eingeschenkt – das war das Einzige, was sie auf Anhieb finden konnte.
    »Auf deine neue Wohnung, herzlich willkommen im Goldhawk Mansion!«, hatte Siobhan verkündet und mit ihrer Tasse mit Laurie angestoßen. Und dort, in ihrer neuen Wohnung – in den ersten vier Wänden, die sie je besessen hatte –, mit einer neuen Freundin und Zechkumpanin, hatte Laurie sich richtig zu Hause gefühlt.
    »Hey, hey, hey!«, rief Siobhan nun und legte die Hand auf ihr Glas, als Laurie dieses wie ihr eigenes bis zum Rand füllen wollte. »Eine von uns beiden muss heute Abend noch in die Schule!« Damals war Siobhan frischgebackene Lehrerin an der örtlichen Gesamtschule gewesen; mittlerweile hatte sie es bis zur Leiterin der Kunstabteilung in ihrer Schule gebracht. Ihre Abende verbrachte sie immer mehr mit Elternabenden und Korrigieren, statt in den Pub zu gehen. Inzwischen hatten sich um ihre leuchtend grünen Augen herum ein paar Fältchen gebildet – eines für jede Schulinspektion, wie sie immer zu scherzen pflegte.
    »Sie kann nicht älter als fünfundzwanzig sein«, erklärte Laurie, immer noch auf das Mädchen unten fixiert. »Oder?« Sie trank einen großen Schluck Wein und wanderte in Siobhans Wohnzimmer, wo sie sich auf deren altem, grünem Samtsofa niederließ.
    »Von Nahem habe ich sie leider noch nicht gesehen«, erwiderte Siobhan mit einem Schulterzucken, während sie auf dem gegenüberliegenden Sessel aus den Fünfzigerjahren Platz nahm und sich mit den Fingern durch das nasse Haar fuhr, um es zu entknoten.
    »Sie war auf dem Weg in Jays Wohnung. Mal wieder.«
    Siobhan lehnte sich zurück. »Hör mal, ich sag das nur ungern, aber Jay ist ein freier Mann.«
    Mürrisch streifte Laurie die Stiefel ab, zog die Knie an und legte die Arme um die Beine.
    »Ich weiß. Aber wenn ich ehrlich bin, geht es nicht nur darum«, antwortete sie, als die Erinnerung an ihren beschämenden Abgang aus dem Büro wieder hochkam. »Du meine Güte, Siobhan, die letzten Tage waren ziemlich bescheiden.«
    »Was soll das heißen?«
    »Bei der Arbeit …«, fuhr Laurie fort und biss sich auf die Lippe. »Schlimmer hätte es nicht kommen können.«
    »Weiter«, forderte Siobhan sie auf. »Ich will Details hören.«
    »Ich habe einen Riesenfehler gemacht«, erklärte Laurie, und plötzlich stiegen ihr wieder die Tränen in die Augen. »Einen ziemlich blöden obendrein.«
    »Aha?«
    »Ich habe das Design unserer wichtigsten neuen Tasche in den Sand gesetzt. Die Navajo-Kollektion – du erinnerst dich sicher, dass ich seit dem Sommer von kaum etwas anderem gesprochen habe, oder?«
    Siobhan riss die Augenbrauen hoch. »Oh nein! Das tut mir leid! Du meine Güte, das ist ja schrecklich! Du hast so hart dafür gearbeitet!«
    »Ich weiß. Danny will also nun, dass ich mir eine Auszeit nehme. Zwei Monate, hat er gesagt, um meine ›Aufmerksamkeit zu bündeln‹. Er hat mir eben eine SMS geschickt und alles bestätigt. Ich bin also jetzt bei voller Bezahlung erst einmal raus aus der Nummer, und er will nicht, dass ich vor Anfang Februar wiederkomme. Ich kann wirklich froh sein, dass er mich nicht gefeuert hat. Immerhin hätte ich es verdient gehabt, Siobhan. Ich habe ihn wirklich bitter enttäuscht.« Sie versuchte, die Tränen zu
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