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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Autoren: Paul Gallico
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durch ihre Unabhängigkeit einigen Glanz erhielt. Für Verschwendung und hübsche Kleider war kein Platz darin.
    Aber dennoch verlangte sie jetzt danach. Sie wollte eines davon in ihrem Kleiderschrank hängen haben, wollte wissen, daß es da war, während sie von Haus zu Haus lief, wollte bei ihrer Rückkehr die Tür aufmachen und es sehen, wie es auf sie wartete: wunderbar anzufassen, zu betrachten und ihr eigen zu nennen. Es war, als könne all das, was sie durch Armut, Herkunft und durch ihre Stellung im Leben entbehrt hatte, dadurch ausgeglichen werden, daß sie Besitzerin dieses einen strahlenden Stückes weiblicher Eleganz wurde. Der gleiche ungeheure, unausdenkbare Geldbetrag hätte ebensogut durch einen Schmuck oder einen einzigen Diamanten verkörpert werden können. Doch an Diamanten hatte Mrs. Harris kein Interesse. Schon die Tatsache allein, daß ein einziges Kleid eine solch riesenhafte Summe darstellte, erhöhte Mrs. Harris’ Wunsch und ihr Verlangen danach. Sie wußte genau, daß ihre Sehnsucht völlig sinnlos war, aber das änderte nicht das geringste daran.
    Während des ganzen neblig feuchten, erbärmlichen Tages erwärmte sie die Erinnerung an die Schöpfungen, die sie gesehen hatte, und je länger sie daran dachte, desto größer wurde ihr Verlangen.
    An diesem Abend saß Mrs. Harris, während der Regen aus dem dichten Londoner Nebel tropfte, in Mrs. Butterfields gemütlich warmer Küche und gab sich der feierlichen Zeremonie hin, die wöchentlichen Totozettel auszufüllen.
    Seit sie sich erinnern konnte, hatten sie und Mrs. Butterfield jede Woche ihr Drei-Pence-Stück zu dieser erregenden National-Lotterie beigetragen. Das war nicht viel für die Höhe der Gewinne, für die Hoffnung, die Aufregung und Spannung, die man damit erkaufen konnte. War der Zettel erst ausgefüllt und in den Kasten geworfen, bedeutete er unermeßlichen Reichtum — bis die Zeitung die Ergebnisse und die Ernüchterung brachte; doch eine wirkliche Enttäuschung war es nie, da die beiden Frauen tatsächlich gar keinen Gewinn erwartet hatten. Einmal hatte Mrs. Harris dreißig Schilling erhalten und Mrs. Butterfield mehrmals ihren Einsatz zurückbekommen — oder genaugenommen, freies Spiel für die folgende Woche — , aber das war auch alles. Die phantastischen Hauptgewinne behielten ihren Zauber und erregten weiter die Begierde; sie blieben Märchen, die gelegentlich den Weg in die Zeitungen fanden.
    Da Mrs. Harris nicht viel von Sport verstand und auch nicht die Zeit hatte, das wechselnde Glück der Fußballmannschaften zu verfolgen, und da die Kombinationen und Möglichkeiten ohnehin in die Millionen gingen, hatte sie sich angewöhnt, sich bei Eintragungen auf ihr Gefühl und auf Gott zu verlassen. Die Ergebnisse von einigen dreißig Spielen — Sieg, Niederlage oder Unentschieden — waren vorherzusagen, und Mrs. Harris benutzte die Methode, den Bleistift schreibbereit über die Zeilen zu halten und auf das Eintreffen irgendeiner inneren oder äußeren Botschaft zu warten, die ihr sagen sollte, was sie zu schreiben hatte. Sie hielt das Glück für etwas Greifbares, das durch die Luft schwebte und sich bisweilen in ordentlichen Brocken auf manche Leute niederließ. Glück — das war etwas, was man fühlen, anfassen und auch erreichen konnte. Glück konnte überall um einen her — und im nächsten Augenblick wieder verschwunden sein. Und deshalb versuchte Mrs. Harris, sobald sie das hinter der Maske des Fußball-Totos verborgene Glück anlocken wollte, sich auf das Unbekannte einzustimmen. Wenn sie nun so wartete und keinerlei heftige Ahnungen verspürte oder überhaupt nichts fühlte, pflegte sie ein Unentschieden hinzuschreiben.
    Und als die beiden Frauen an diesem Abend im Kreis des Lampenlichts saßen, Totozettel und dampfende Teetassen vor sich, verspürte Mrs. Harris die Anwesenheit des Glücks ebenso fühlbar um sich her wie vorher den Nebel draußen. Während ihr Bleistift über der ersten Zeile zauderte — «Aston Villa gegen Bolton Wanderers» — , blickte sie auf und sagte nachdrücklich zu Mrs. Butterfield: «Diesmal geht’s um mein Dior-Kleid.»
    «Worum, meine Gute?» fragte Mrs. Butterfield, die nur halb gehört hatte, was ihre Freundin sagte, weil sie sich beim Ausfüllen ihres Zettels der Trance-Methode hingab und bereits in jenen Zustand geriet, bei dem in ihrem Kopf etwas ausklinkte und sie ihre Eintragungen eine nach der andern niederschrieb, ohne auch nur einmal Luft zu holen.
    «Mein
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