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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Autoren: Paul Gallico
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Dior-Kleid», wiederholte Mrs. Harris und fuhr dann heftig fort, als ob sie es schon durch ihr Ungestüm erzwingen könnte: «Ich werde ein Dior-Kleid bekommen.»
    «Was du nicht sagst!» murmelte Mrs. Butterfield, nicht recht bereit, gänzlich aus der Starre zurückzukehren, in die sie eben eintauchte. «Gibt’s was Neues bei Marks & Sparks?»
    «Unsinn! Wer redet von Marks & Sparks!» sagte Mrs. Harris. «Hast du noch nie was von Dior gehört?»
    «Nicht daß ich wüßte, Liebste», erwiderte Mrs. Butterfield, noch immer in dem Zwischenzustand auf der Schwelle der Trance.
    «Das ist das teuerste Geschäft auf der ganzen Welt. In Paris. Die Kleider kosten dort vierhundertfünfzig Pfund.»
    Im Nu war Mrs. Butterfield wieder bei sich. Ihr Unterkiefer fiel herab, und ihre Doppelkinne schoben sich ineinander wie ein zusammenklappbarer Trinkbecher.
    «Vierhundertfünfzig? Was? Vierhundertfünfzig Pfund?» keuchte sie. «Och, Mensch, bist du verrückt geworden?» Für einen Augenblick war selbst Mrs. Harris von dieser Zahl erschüttert; doch dann fand sie gerade vor der Maßlosigkeit des Betrages, der den aufgetauchten Wunsch nur noch verstärkte, ihre innere Sicherheit wieder, und sie sagte: «Lady Dent hat eins davon im Schrank. Sie zieht es heute abend zum Wohltätigkeitsball an. Mein ganzes Leben lang hab ich so was noch nicht gesehen — nur im Traum oder in einem Buch.» Sie wurde nachdenklich, und ihre Stimme schien versagen zu wollen. «Nicht mal die Königin hat so ein Kleid», sagte sie — und dann wieder laut und fest: «Und ich will eins haben.»
    Die Schockwellen in Mrs. Butterfields Innerem klangen ab, und sie fand ihren praktischen Pessimismus zurück. «Woher wirst du das Geld nehmen, mein Schatz?» fragte sie.
    «Von hier», erwiderte Mrs. Harris und klopfte mit dem Bleistift auf ihren Wettschein, um die Parzen keinen Augenblick darüber im Zweifel zu lassen, was von ihnen erwartet wurde.
    Das erkannte Mrs. Butterfield an, da sie selber eine lange Liste von Dingen hatte, die sie sofort erwerben wollte, sobald ihr Zettel Erfolg brachte. Aber sie hatte andere Begriffe. «Solche Kleider sind nicht für unsereinen», sagte sie düster.
    Mrs. Harris widersprach leidenschaftlich: «Was kümmert mich das, was für unsereinen ist! Es ist das schönste Stück, das ich in meinem Leben gesehen habe, und ich will’s haben.»
    Beharrlich fuhr Mrs. Butterfield fort: «Und was wolltest du damit anfangen, wenn du es kriegtest?»
    Die Frage verschlug Mrs. Harris für einen Augenblick den Atem, denn sie hatte bisher an nichts anderes gedacht als an den Besitz solch einer wunderbaren Schöpfung. Sie wußte nur, daß es sie ganz schrecklich danach verlangte, und deshalb vermochte sie nichts anderes zu erwidern als «Haben will ich’s! Bloß haben!»
    Ihr Bleistift stand auf der ersten Zeile des Wettscheins, dem sie nun ihre Aufmerksamkeit wieder zuwandte. «Also jetzt los damit!» sagte sie und füllte, ohne auch nur noch einen Augenblick zu zögern, Zeile um Zeile aus, als ob ihre Finger von einer Kraft getrieben würden, die außerhalb ihres eigenen Wollens läge: Sieg, Niederlage, Unentschieden, Sieg, Sieg, Unentschieden, Unentschieden, Unentschieden, Niederlage und Sieg, bis das ganze Formular fertig war. So hatte sie es noch niemals gemacht.
    «Da!» sagte sie.
    «Viel Glück, Liebste!» wünschte Mrs. Butterfield. Sie war so sehr von der Leistung der Freundin gefesselt, daß sie ihrem Schein nur wenig Aufmerksamkeit schenkte und ihn rasch ausgefüllt hatte.
    Noch in der Gewalt eines fremden Etwas sagte Mrs. Harris heiser: «Komm, wir wollen’s gleich zur Post bringen, sofort, solange mein Glück noch an dauert.»
    Sie zogen die Mäntel an, banden Tücher um den Kopf und gingen hinaus in den Regen und nassen Nebel zu dem roten Briefkasten, der matt unter der Laterne an der Ecke schimmerte. Mrs. Harris drückte den Umschlag einen Augenblick an die Lippen, sagte «Auf mein Dior-Kleid», schob den Brief in den Schlitz und wartete, bis sie ihn fallen hörte. Mrs. Butterfield steckte den ihren mit weit weniger Zuversicht ein. «Wenn man nichts erwartet, wird man auch nicht enttäuscht. Das ist mein Motto», sagte sie, dann kehren die beiden zu ihren Teetassen zurück.

Drittes Kapitel

    Die so wunderbare und weltallerschüttemde Entdeckung machte am folgenden Wochenende nicht Mrs. Harris, sondern Mrs. Butterfield, die, ganz zitternde Masse Fleisch, in die Küche der Freundin stürmte und kaum zu sprechen vermochte. Sie
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