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Ein Jahr in Paris

Titel: Ein Jahr in Paris
Autoren: Silja Ukena
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ist das Wissen, dass selbst französische Grundschüler bei Diktaten regelmäßig die Fassung verlieren.
    Kommen wir zur Grammatik: Es gibt 22 Konjugationsmöglichkeiten und ungefähr 300 Regeln. Und zu jeder etwa zwei Dutzend Ausnahmen. Weshalb man sich fragt, warum dann nicht die Ausnahmen die Regel sind und umgekehrt. Fragt man einen Franzosen, antwortet er: „ C’est comme ça. So ist das eben.“
    1 Das IEP Paris ist die älteste und berühmteste von neun Hochschulen dieser Art in ganz Frankreich. Die IEP, an denen längst nicht mehr nur Politikwissenschaften, sondern inzwischen auch Jura, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Geschichte, Sprachen und Internationale Beziehungen gelehrt werden, bildet zusammen mit den anderen Grandes Écoles Frankreichs Führungseliten aus. Das Studium dauert etwa fünf Jahre, ein Spitzenjob ist anschließend so gut wie garantiert. Entsprechend hoch sind die Anforderungen bei den Aufnahmetests, die entweder schriftlich ( sélection sur dossier ) oder im direkten Auswahlverfahren ( sélection sur concours ) erfolgen.
    2 In anständigem Deutsch etwa: „Guten Tag, ich hätte gerne ein Baguette.“
    3 Man kann es nicht übersetzen, woran sich mal wieder der ganze Reichtum der französischen Sprache zeigt, die für das Fahrrad gleich zwei Wörter bereithält, nämlich: le vélo , ein maskulines Wort, und la bicyclette , die weibliche Variante. Jedenfalls wollte Monsieur Fahrradhändler mir unmissverständlich klarmachen, dass es in seinem Laden nur anständige Räder mit korrektem Artikel gäbe. Nicht nur eine Frage der Grammatik, sondern auch der Ehre.
    4 Die Station hieß bis 1914 Allemagne . Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Deutschland jedoch zum Feind und die Haltestelle kurzerhand umbenannt.
    5 Charles Baudelaire schrieb dies um das Jahr 1850. Von Fortschritt bis heute keine Spur.

Juni – Aufbrüche
    2. Kapitel, in dem ich beschließe, auf eigenen Füßen zu stehen, die Hölle durchquere und sich alles ändert.

    Erkenntnisse: Franzosen wohnen anders und schuld sind die alten Römer.
    Aufgabe des Monats: eine Wohnung finden.

    A LLES ÄNDERTE SICH, ALS ICH A LIX KENNEN LERNTE. Und natürlich Jean-Luc, Kitty und Paul. Aber vielleicht sollte ich anders anfangen:

    Alle hatten mich gewarnt. Es sei die Hölle, es sei unbezahlbar, es sei Krieg. Ich hatte es nicht geglaubt. Immerhin ging es nur darum, eine Wohnung zu mieten, und nicht darum, sagen wir, im Bristol einen Tisch für Silvester zu ergattern oder eine Premierenkarte für die Comédie Française. Außerdem hielt ich mich für eine aus Vermieterperspektive vollständig begehrenswerte Bewerberin: gebügelte Bluse, Nichtraucherin, Single, keine Tiere – was könnte man sich mehr wünschen? Gut, ich hatte keinen festen Job und war Ausländerin. Aber davon wimmelte es in Paris. Die mussten ja schließlich auch irgendwo wohnen.
    Von den „Dramen“ bei Arnaud und Isabelle hatte ich jedenfalls endgültig genug. Ich würde mir unauffällig etwas Eigenes suchen und dann ausziehen. Sie wären unendlich gekränkt, klar – „Es gefällt dir bei uns nicht?!“ –, aber esmusste sein. Bis zum letzten Akt von „Du-kümmerst-dich-nicht-um-mich-und-die-Kinder-hast-du-eine-andere? – Du-hast-eine-andere! – Ich-lasse-mich-scheiden!“ würde ich es ganz sicher nicht aushalten, falls dieser letzte Akt überhaupt je käme.
    Ich wäre dann jedenfalls längst chez moi . Mit ein bisschen Glück sollte das möglich sein. Dachte ich.
    „Eine Wohnung! In Paris!“ Gaetanos Augenbrauen kamen kurz vor seinem schütteren Haupthaar zum Stehen. „Hast du eine carte de séjour ? 6 Eine carte de garantie ? Eine lettre de recommandation ? Eine Berechtigung für ein H. L. M .?“
    „ Pardon? “
    „Ah! Vergiss es. Komplett unmöglich.“ Ich schaute flehentlich. Ein leichtes Schulterzucken seinerseits: „Versuch’s mal mit den Kleinanzeigen particulier à particulier . Da hat man manchmal Glück und findet ein Zimmer. Im besten Falle sogar ein Studio. Aber die Wohnung kannst du vergessen.“
    Eine Stunde später saß ich mit einem roten Stift und allen Pariser Magazinen und Zeitungen, die der Kiosk an der Place de Ternes im Angebot hatte, beim Apéro auf der Terrasse des Café Dada und las:

    „Möbliertes Zimmer, Nähe RER B Denfert. WC auf der Treppe, keine Dusche, 7. Etage, kein Fahrstuhl, ruhig. 380 € plus Strom.“

    „Chambre avec vue, 15 qm, proche banlieue, 520 €.“

    „Schönes Studio, möbliert, 40 qm, Kitchenette
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