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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern
Autoren: Georgia Bockoven
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unvermeidlich, um die Sache abschließen zu können. »Ist er auch mein Erzeuger?«
    »Das spielt dabei keine Rolle.«
    Eiseskälte kroch Gingers Rückgrat hoch. »Also stimmt es.« Ihre Stimme war kaum hörbar. »Ihr habt mich adoptiert?«
    »Das spielt keine Rolle«, wiederholte Delores.
    »Das stimmt nicht.«
    »Warum?«
    »Weil es bedeuten würde, dass mein Leben eine Lüge ist.« Ginger stand auf, ging im Zimmer herum und blieb wieder stehen.
    »Ich verstehe, dass du verärgert bist, aber …«
    »Wie konntet ihr mich die ganze Zeit anlügen?« Die Wut verhinderte, dass der Schmerz sie niederstreckte. »Ich habe euch vertraut.«
    »Wir mussten schwören, dass wir es niemals preisgeben. Niemandem, auch nicht dir gegenüber. Das war eine der Bedingungen für die Adoption.«
    »Was für ein Schwachsinn! Das mag damals wichtig gewesen sein, aber doch nicht sechsunddreißig Jahre später. Was hätten sie euch denn tun können?«
    »Ich habe überlegt, ob ich es dir erzähle.«
    »Wer ist sie?«
    »Sie ist tot, Ginger. Sie starb, da warst du sieben.«
    »Also dann: Wer war sie?«
    Keine Antwort.
    »Was passiert, wenn du es mir sagst?«
    »Barbara Winston.«
    Irgendwie kam Ginger der Name bekannt vor. »Wer?« Da fiel der Groschen. »Die Sängerin?« Nicht irgendeine Sängerin, nein, eine engelsgleiche Schönheit. Sie eroberte ihren Platz im Musikhimmel durch den frühen Tod bei einem Flugzeugabsturz – auf dem Weg zur Oscar-Verleihung, auf der sie singen sollte.
    »Genau.«
    »Und Jessie Reed ist mein Vater?«
    »Ja.«
    Langsam drang zu ihr durch, dass ihr Vater noch am Leben war. »Hat er der Adoption zugestimmt? Wollte er mich auch nicht?«
    »Wir kennen nur seinen Namen. Er wusste aber, was vor sich ging. Der Anwalt sagte uns, er hätte eine Vereinbarung unterzeichnet, keinen Kontakt zu dir aufzunehmen.«
    »Na, dann hat er seine Meinung anscheinend geändert.«
    »Was wirst du jetzt machen?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Flieg nicht. Du würdest es bereuen.«
    Nach sechsunddreißig Jahren hatte ihre Mutter immer noch nicht begriffen, wie man sie dazu brachte, etwas zu tun. Indem man es ihr verbot.

3
    Christina
    Christina Alvarado saß auf dem abgeschabten Ledersofa im Wohnzimmer des Dreizimmerbungalows, in dem sie mit Randy Larson wohnte. Ihre Füße lagen auf einer Platte aus lackiertem Sperrholz, die als Couchtisch diente. Sie hatte eine Hand in den Nacken gelegt, und ihr rechter Zeigefinger drehte Locken in eine rosa Haarsträhne. Eine Freundin, die die Kosmetikschule besucht und abgebrochen hatte, bezeichnete die Farbe als perfekten Willkommensgruß für das neue Jahrtausend.
    Christina las langsam ein zweites Mal den Brief, der vor ein paar Minuten von einem Kurier abgegeben worden war.
    Randy stand mit einer Dose Tomatensoße in der einen, dem Topf in der anderen Hand im Durchgang zur Küche. »Was steht drin?«
    »Mein Vater wird sterben.« Vergeblich versuchte sie zu begreifen, was vor sich ging. »Er will mich treffen.«
    »Enrique stirbt?«
    »Mein richtiger Vater, Jessie Reed.«
    »Ich habe gedacht, der ist tot.«
    »Ist er auch, oder besser gesagt, war er. Jedenfalls hat meine Mutter mir das erzählt.« Ihr Vater konnte nicht am Leben sein. Auferstehungen gab es nur in der Bibel – nicht bei Christina Alvarados Vater.
    »Warum sollte Carmen deswegen lügen?«
    Carmen war allerdings nicht gerade für ihre Wahrheitsliebe bekannt. Christina öffnete den zweiten Umschlag und zog ein Flugticket nach Sacramento heraus. »Wer weiß schon, was im Kopf meiner Mutter vorgeht.«
    »Ruf sie an und frag sie.«
    »Sie spricht nicht mit mir.«
    »Warum das denn nicht?«
    »Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht zu ihrem Geburtstag nach Hause kommen werde.«
    »Hast du ihr auch gesagt, warum? Dass du proben musst?
    Randy verstand mal wieder gar nichts. Ein auferstandener Vater hatte Vorrang vor einer beleidigten Mutter. »Sie hat gesagt, ich hätte die Regieassistenz bei dieser Laienaufführung nie annehmen dürfen. Schließlich hätte ich ihr versprochen zu kommen.«
    »Vielleicht solltest du ihr sagen, dass du kommst, wenn sie Geld für die Miete schickt.«
    »Träum weiter.« Es war Enrique gewesen, der Christinas Schulgebühren in den Vereinigten Staaten bezahlt hatte – allerdings nicht aus Wohltätigkeit, sondern aus Eigennutz. Die Trennung von Mutter und Tochter brachte für ihn endlich wieder den lang ersehnten Frieden ins Haus. Ihre Mutter teilte niemals freiwillig, Geld schon gar nicht.
    »Es muss doch
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