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Ein Hauch Vanille (German Edition)

Ein Hauch Vanille (German Edition)

Titel: Ein Hauch Vanille (German Edition)
Autoren: Heike Berg
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anvertrauen, niemals erzählte sie etwas weiter.                     „Na
Sonne, erzähl mal, wie ist es da denn so?“ schmachtete sie voller Neugier
durchs Telefon. Ich war überglücklich mich endlich bei jemandem ausweinen zu
können und machte es mir in dem blauen Velours Sessel gemütlich, den Christian
und Robert gerade in mein Zimmer gebracht hatten.          
„Das glaubst du nicht, Petra, das musst du dir unbedingt selbst ansehen, das
kann man gar nicht beschreiben“, fing ich nach Luft ringend zu erzählen an.
„Das ist die Höchststrafe hier, der blanke Horror!“        
„Wieso, wo seid ihr denn überhaupt gelandet?“ fragte sie ungeduldig.  
„Am Arsch der Welt und am Ende der Zivilisation, sag ich dir, zum nächsten
Bäcker sind es über zwei Kilometer! Das ist wie eine schlechte Doku im
Fernsehen, nur dass sich hierfür niemand freiwillig melden würde und wir müssen
hier wohnen!“     
„Und was willst du jetzt machen?“ stellte sie mir die ultimative Frage.  
„Wie, was soll ich denn jetzt schon machen?“ fragte ich ärgerlich zurück. Was ist
denn das für eine blöde Frage? Ein bisschen mehr Mitleid und Trost hatte ich
mir schon von ihr versprochen. Stattdessen schien sie mein Schicksal überhaupt
nicht zu interessieren.              
Wieder drang die Stimme, die nie Gutes zu verheißen hatte zu mir nach oben.      
„Diiicke!“ Mein Stiefvater klang noch immer unfreundlich und aggressiv. Ich
stöhnte.        
„Was will denn der Arsch jetzt schon wieder von mir?“ flüsterte ich ins
Telefon. 
„Der Blödsack!“ schallte es aus dem anderen Ende der Leitung.           
„Ich muss Schluss machen Petra, ich melde mich morgen wieder, ja?“ 
„Ok, aber erst gegen Abend, ich bin morgen mit Sandra verabredet.“   
Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und  beendete zähneknirschend das
Gespräch.
„Ja ist gut, bis dann.“             
Ich war enttäuscht. Kaum einen Tag fort, hatte sie schon Ersatz für mich
gefunden. Mich, ihre beste Freundin. Und dann auch noch ausgerechnet Sandra,
diese blöde Kuh. Früher war sie fünftes Rad am Wagen, nun nahm sie  meinen
Platz ein.             
Wieder jemand der froh darüber ist, dass ich weg bin, dachte  ich und
legte enttäuscht das Handy beiseite.        
„Diiicke!“ Wütend rief mein Stiefvater abermals nach mir. Sein blondes, dichtes
Haar hing hinten schnurgerade bis auf seine Schultern. Nur seine Stirnpartie
wies bereits viele dünne Stellen auf. Obwohl er fünf Jahre jünger als Anne war,
machten ihm die ersten Anzeichen des Alters mehr zu schaffen als ihr. Doch dem Kopfhaar
allein galt sein ganzer Stolz nicht, sondern vielmehr seinem Schnurrbart, dessen
Enden so lang waren, dass er sie zwischen seinen Fingern hin und her rollen
konnte, wodurch sein Schnauzbart immer dünner wurde und sich außerhalb seines
Gesichts nach oben kringelte. Optisch fielen an Michael die gepflegten langen
Finger auf, die so zart aussahen, dass sie eher an Frauenhände erinnerten. Im
Gegensatz dazu standen seine bläulich, semi professionell gestochenen
Tätowierungen an seinen Armen, die er sich in Jugendtagen in seiner Heimatstadt
Magdeburg hatte stechen lassen. Der Arbeit wegen zog er nach Westdeutschland
und arbeitete später im selben Schnellrestaurant wie Anne, die gerade frisch
geschieden und bereits Mutter von drei Kindern war.
    Robert
und ich waren gerade zwölf Jahre alt, als er das erste Mal bei uns zu Hause
aufschlug. Am ersten Tag war er noch ganz nett, erst nachdem wir ihm unsere
Einwilligung dazu gegeben hatten, bei uns einzuziehen, zeigte er sein wahres Gesicht.
Und Mutter auch.
„Weißt du wie froh ich sein kann, dass ich mit drei Kindern überhaupt noch
einen Mann abbekommen habe?“ bekam ich zur Antwort, als ich mich damals bei
Anne über ihn beschwerte. Ich verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr daran,
dass sie sich jemals wieder von ihm trennen würde. Denn mit nunmehr vier
Kindern musste die Chance überhaupt noch irgendetwas Männliches abzubekommen,
quasi bei null liegen.
„Du sollst bei mich kommen und Michi eine neue Windel machen!“ schrie er mir in
seiner unnachahmlichen Art und Weise, grammatikalisch inkorrekt, wütend
entgegen, als ich bereits in Richtung Treppe eilte.     
Etwas Fanatisches lag in seiner Stimme, weshalb ich ihn auch für unberechenbar
hielt. Vor allem, wenn er
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