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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition)
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Gesellschaft zu schaffen, belanglos machte.
    Meine Schlußfolgerung ist indessen die, daß die kommunistischen Parteien der Welt, so wie sie heute organisiert sind, keine bessere Welt schaffen könnten. Sie könnten eher sogar noch eine weit schlimmere schaffen. Der Grund, weswegen ich dies denke, ist der, daß zuviel Macht in die Hände von zu wenigen Leuten gelegt ist. Diese wenigen Leute sind derart gegen jede Kritik an ihrem Verhalten geschützt, ' mit Ausnahme der auf Parteigrundsätzen erfolgenden Kritik, daß weder sie selber, noch irgend sonst jemand gegen ihre übelsten Charaktereigenschaften geschützt ist: nämlich Barbarei, Rachsucht, Neid, Habsucht und Machthunger.
    Weil ich nicht glaube, daß die zentralen Organisationen der Kommunisten fähig sind, eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen oder sonst wirklich irgend etwas zu tun, außer daß sie imstande sind, das Regiment einer besonders rachsüchtigen und eifersüchtigen Bürokratie zu errichten, habe ich nicht das Empfinden, daß ich meine eigene Urteilskraft der ihren unterwerfen sollte, gleichviel, wie mächtig und wirksam die ihrige sein mag und wie unwirksam meine eigene ist.
    Die Kommunisten vertreten ein Ausmaß an Zentralisierung, die in einem Rahmen aufgezogen ist, wie er bisher unbekannt war. Die politische Partei – die die einzige politische Partei ist – ist in sich selber ebenfalls zentralisiert und hängt von den Direktiven einiger weniger Männer ab. Sämtliche anderen Funktionen des Staates sind ebenfalls nach der politischen Leitung zentral ausgerichtet.
    Die Wirkung einer nach der Politik ausgerichteten Kunst würde auf die Länge hin die völlige Vernichtung der Kunst bedeuten und würde letzten Endes großes Leid für viele Leute bedeuten, sogar dann, wenn es unmöglich wäre, die von der Polizei geschützte Zentralbehörde zu gefährden. In Rußland hat man tatsächlich die Künste bereits wirksam vernichtet, wie die Kommunisten manchmal recht' überraschenderweise selber zugeben. (Ilja Ehrenburg erklärte mir 1945 in Paris, daß sich die Russen an einer Ausstellung internationaler Malerei nicht beteiligen würden, denn sie hätten keine guten Maler. Er fuhr fort und sagte, daß der heutige Roman amerikanisch sei und daß sich Rußland nur in der Musik auszeichne. Aber ein ungarischer Kommunist sagte mir 1946, daß die Russen die Literatur und Malerei in Rußland vernichtet hätten und nun dazu übergingen, die Musik zu vernichten.)
    Nun stellt der Künstler einfach das höchstentwickelte individuelle Bewußtsein in einer Gesellschaft dar. Er hat keine offiziell verallgemeinerte Anschauung von den menschlichen Bedürfnissen und Tätigkeiten, aber er hat eine tiefe Einsicht in das Empfinden und die Erlebnisse, den Zustand des Glücks und Unglücks der Einzelmenschen. Wenn man sagt, daß der Künstler ein Individualist sei, so sagt man damit nicht, daß er nur aus sich heraus und für sich selber schafft. Damit sagt man, daß er auf der Ebene seiner eigenen Erlebnisse schafft, daß er tiefgehende Beziehungen zu den Erlebnissen vieler Menschen hat, und zwar auf einer Ebene, wo sie eben nicht nur Ausdrucksformen sozialer Bedürfnisse sind.
    Literatur und Kunst sind daher eine Bezeugung, eine Bekundung der menschlichen Situation innerhalb der besonderen Umstände von Zeit und Ort. Wenn man das individuelle Erlebnis der Verallgemeinerung amtlicher Information und Aufsicht unterwirft, dann unterbindet man der Menschheit ein wesentliches Mittel, sich ihrer selbst als einer Gemeinschaft von gemeinsam lebenden Individuen innerhalb vieler getrennter Lebensführungen bewußt zu werden. Es ist schwer zu glauben, daß eine zentrale Behörde des Staates, die den Schriftstellern und Künstlern die Freiheit bestreitet, ihre Erkenntnisse zum Ausdruck zu bringen, wenn diese im Gegensatz zu der Staatspolitik stehen, die Lebenskraft und moralische Stärke haben soll, den Menschen ein glückliches Leben zu verschaffen. Alles, was sie besitzt, ist eine Maschinerie und eine Organisation, die die Stelle des Lebendigen einnehmen. Wenn man die Freiheit der Kunst zerstört, so begeht man wirklich damit eine Art Verrücktheit, die ebenso wahnsinnig ist, als wollte man dem einzelnen Menschen die Freiheit nehmen, Ohren zu haben, um Töne zu hören, denen gegenüber ihr Gemüt empfindlich ist, und sie durch Mikrophone zu ersetzen, die so abgestimmt sind, daß man nur das hören kann, was die staatliche Führung wünscht, daß es gehört wird, nämlich die
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