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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition)
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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hatte sie nicht im Verdacht, aus eigensüchtigen Motiven zu handeln. Sie hatten sehr viel geopfert und waren bereit, noch mehr für eine Sache zu opfern, an die sie aus tiefster Seele glaubten. Doch abgesehen von diesem Mut und Opfersinn schien es oft, als wären ihre besten Eigenschaften zu ihrem eigenen größten Nachteil verwandt und ihre Persönlichkeiten dabei zerstört. Sie glaubten daran, daß sie als die armen Kämpfer handeln müßten, aber sie glaubten nicht daran, daß sie ihre Nächsten lieben müßten. Für sie war die Wahrheit ein Sklave, der dem Belieben eines kleinen inneren Führungskreises zur Verfügung stand. Sie hielten den Haß für die Haupttriebfeder des Handelns. Sie verdrehten die Bedeutung von Attributen, die sie auf Nationen, Parteien und Einzelmenschen anwandten, ohne sich darüber klar zu sein, daß durch den Mißbrauch von Worten eine Verwirrung entsteht. „Frieden" konnte in ihrer Sprache „Krieg" bedeuten; „Krieg" – „Frieden"; „Einheit" – „innerer Verrat"; „Faschismus" – „Sozialismus".
    Abgesehen von der Notwendigkeit, der Partei dienen zu müssen, bestand für sie keinerlei Verpflichtung, die Eitelkeit, Böswilligkeit, Streberei und den Verrat im eigenen Wesen einer Disziplin zu unterwerfen. Ja diese Eigenschaften konnten sogar zu Tugenden werden, falls sie für die Partei nützlich waren.
    Oft stellte ich fest, daß ein menschlicher und sympathischer Kommunist ein schlechter Kommunist war in dem Maße, in dem er menschlich und sympathisch war, und daß er sich selbst darüber durchaus im klaren war.
    Während dieser Jahre begriff ich, daß die Kommunisten sich, roh gesprochen, in vier Kategorien einteilen lassen: a) die Theoretiker, die in einer abstrakten und allgemeinen Weise sich der Methoden bewußt sind, die sie anwenden, die aber der Meinung sind, sie seien, abstrakt gesehen, eine „Notwendigkeit"; b) diejenigen, die vollständig und glücklich in einem Irrtum über Rußland und über die von ihren Genossen angewandten Methoden leben; c) die Arbeiter, die außer ihren Ketten nichts zu verlieren haben, die gegen die kapitalistische Ausbeutung kämpfen und für die Brot wichtiger ist als Freiheit; d) die Polizei, die politischen Kommissare, die Agenten, die Spitzel usw. Diese letzten sind vielleicht die einzigen Kommunisten, die mit einiger Vollständigkeit die Tatsachen über die Konzentrationslager und die Prozesse wissen.
    Als ich der kommunistischen Partei beitrat, erwartete ich, daß ich dadurch erfahren würde, was die Kommunisten taten; daß ich in die Lage versetzt werden würde, ihre Mittel gegen die Methoden des Kapitalismus abzuwägen und daß ich lernen würde, die Beziehung zwischen Mittel und Zweck anzuerkennen.
    Ich hatte nicht erwartet, feststellen zu müssen, daß die Handlungen der Kommunisten in Rußland und in Spanien von den Kommunisten untereinander abgeleugnet wurden. Oder gar, daß sie völlig in Unkenntnis darüber waren.
    Ich habe bereits die Beispiele angeführt, daß Chalmers sich nicht für die russischen Prozesse interessierte und daß sich meine literarisch eingestellten Gefährten in Spanien weigerten, Tatsachen anzuhören, die ihr einfaches Bild der wirklichen Begebenheiten komplizierten. Es kam eine Zeit, zu der ich zwei Beispiele beieinander hatte, die mir unwiderleglich für ein Verhalten zu sein schienen, für das die Parteimitglieder die Verantwortung hätten übernehmen müssen. Eines dieser Beispiele war eine Geschichte, die mir von einer amerikanischen Schriftstellerin berichtet wurde, deren Gatte ein Russe was. Eines Morgens, als sie in Moskau waren, war die Polizei um 3 Uhr früh in ihre Wohnung gekommen und hatte ihren Mann mitgenommen. Seit dieser Zeit hatte sie ihn nie wieder gesehen, noch irgendeine Nachricht von ihm erhalten. Sie hatte keine Vorstellung, was er getan haben sollte. Sie selber war Kommunistin gewesen. Dieses war ein Fall, der ziemlich gut bekannt war, da sich amerikanische und britische Intellektuelle mit dem Schicksal dieses unglücklichen Mannes befaßt hatten. Sie hatten Briefe an das Sekretariat der Komintern geschrieben. Zuerst hatte man diese Briefe mit dem Versprechen bestätigt, daß in dem Falle Untersuchungen eingeleitet werden würden. Danach folgte Schweigen seitens des Sekretariats, und weitere Briefe der Freunde der Amerikanerin wurden nicht beantwortet.
    Die andere Geschichte betraf einen meiner Freunde, Y, der in der Internationalen Brigade war. Y war der Neffe eines
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