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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition)
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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irgend etwas über Rußland erzählt haben, was nicht Propaganda war?
    Die Parteimitglieder wissen weniger, als Außenstehende es sich vorstellen können, von den wirklichen Verhältnissen in kommunistisch beherrschten Ländern. Immerhin wissen sie über gewisse Grundsätze der Diktatur Bescheid, denn sie sind ein Teil ihrer Ideologie. So ist es zu verstehen, daß, als ich 1947 den kommunistischen stellvertretenden Premierminister von Ungarn, Mr. Rakosi, kennenlernte, seine beinahe erste Bemerkung zu mir lautete, die britische Labour-Regierung sei „faschistisch". Als ich ihn fragte, was er damit meine, sagte er: „Aus zwei Gründen sage ich das. Erstens, sie hat die britische Armee nicht mit sozialistischen Generälen aufgefüllt. Zweitens hat sie nicht die Leitung von Scotland Yard übernommen."
    Diese Haltung hat ohne weiteres Konsequenzen zur Folge, die heute offener zutage liegen, als dies vor zwölf Jahren der Fall war. Für mich wurden sie noch unterstrichen durch Benesch in einem Interview, das ich mit ihm in Prag im Winter 1946 hatte. Benesch sagte, er sei der Ansicht, daß die Führerschicht in Rußland wahrscheinlich ihre Revolution ohne die Terrormethoden, die sie anwandte, nicht erfolgreich durchgeführt haben würde. Aber, setzte er bewegt hinzu, er danke Gott, daß matt von ihm nie verlangt habe, solche Methoden anzuwenden, und er hoffe, daß er es nicht zu tun haben werde.
    Beim Schreiben dieses Aufsatzes bin ich mir immer darüber klar gewesen, daß keine Kritik an den Kommunisten die Argumente beseitigt, die gegen den Kapitalismus sprechen. Die Wirkung dieser Jahre schmerzlicher Erfahrungen haben mir nur offenbart, daß beide Seiten Kräfte sind, die Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Vernichtung persönlicher Freiheiten und ungeheures Unheil herbeiführen. Man muß zugunsten des Kapitalismus sagen, daß er sich den Luxus der Freiheit auf künstlerischem Gebiet und in der Diskussion der politischen Parteien untereinander leisten kann, da er schon seit langem besteht; aber gleichzeitig scheint der Kapitalismus, wie wir es heute im größten kapitalistischen Lande, in Amerika, sehen, keine Alternative für den Krieg, für die Ausbeutung und die Zerstörung der Hilfsquellen der Welt zu bieten. Der Kommunismus hingegen könnte, wenn er die Internationalisierung und die Sozialisierung der Produktionsmittel zustande brächte, eine Welt aufbauen, die nicht eine Masse automatisch sich ergebender wirtschaftlicher Widersprüche wäre.
    Indessen würde selbst bei der Annahme, daß sich die Weltrevolution durchführen ließe und ein kommunistisches System wirtschaftlich und politisch in der ganzen Welt errichtet werden könnte, die Kultur und die Wohlfahrt der neuen klassenlosen Gesellschaft von der weiteren Annahme abhängen, daß sich die Diktatur des Proletariats mit der Zeit selber auflösen würde.
    Marx und die kommunistischen Schriftsteller gehen immer von der Annahme aus, daß dies so sein wird. Sie haben es nicht nötig, genauere Angaben darüber zu machen, wie sich dieser Auflösungsprozeß vollziehen wird. Ihr Gedanke geht dahin, daß die Vernichtung des Kapitalismus sich nach den Gesetzen vollzieht, die sich mechanisch aus den Widersprüchen innerhalb des kapitalistischen Systems selber ergeben; daß die Machtergreifung des Proletariats, obwohl sie zum Teil das Ergebnis menschlicher Willensäußerung ist, ebenfalls der gleichen mechanischen Entwicklung folgt. Wenn sich also die Schicksalhaftigkeit dieses Vorganges von selber vollzogen hat, so entfällt die mechanische Notwendigkeit des gesamten Vorganges des Absterbens des Kapitalismus und des Aufstiegs des Proletariats. Die Auflösung der Diktatur folgt automatisch aus einer Situation, in der die Arbeiter keine Feinde mehr haben.
    Wenn dies zuträfe, dann wären die Einwände gegen den Kommunismus nur Einwände gegen zeitbedingte Unannehmlichkeiten. Große Unannehmlichkeiten allerdings, nämlich für die Opfer revolutionärer Handlungen und Propaganda, aber immerhin ein Preis, der es wert ist, für eine internationale Welt bezahlt zu werden, in der alle Nationen miteinander in Eintracht leben.
    Aber wenn es nicht sicher ist, daß sich die Diktatur von selber auflöst, dann wird aus der Kritik an den Kommunisten und ihren heutigen Methoden eine Kritik an der Diktatur von morgen und übermorgen und über-übermorgen.
    Nun ist es gewiß eine der Lehren der letzten dreißig Jahre gewesen, daß eine in der heutigen Welt errichtete Diktatur mit allen den
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