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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Autoren: Robert Silverberg
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Stromkreise angeschlossen. Alles hat seine Bedeutung verloren, und meine Seele ist leer.«
    »Aha. Angst. Anomie. Auflösung. Identitätsverlust. Häufige Beschwerden, mein Sohn. Wie alt bist du?«
    »Fünfzehn vorbei.«
    »Karriereprofil?«
    »Schanghai, nach Louisville aufsteigend. Vielleicht kennen Sie mich. Siegmund Klüver.«
    Die Lippen des Gottesmannes pressen sich fester aufeinander. Die Augen verschleiern sich. Er spielt mit geheiligten Emblemen am Kragen seiner Tunika. Ja, er hat von Siegmund gehört.
    »Findest du Erfüllung in deiner Ehe?« fragt er.
    »Ich habe die segensreichste Frau, die ich mir vorstellen könnte.«
    »Kleine?«
    »Ein Junge und ein Mädchen. Nächstes Jahr werden wir ein zweites Mädchen haben.«
    »Freunde?«
    »Genug«, sagt Siegmund. »Und dennoch dieses Gefühl der Auflösung. Manchmal brennt und juckt mich die Haut am ganzen Körper. Schwaden der Verwesung treiben durch das Gebäude und umhüllen mich. Eine große Ruhelosigkeit. Was ist los mit mir?«
    »Manchmal«, sagt der Gottesmann, »erfahren wir, die wir in den Urban Monads leben, was als Krise der spirituellen Begrenzung bezeichnet wird. Die Grenzen unserer Welt, das heißt unseres Gebäudes, erscheinen uns zu eng. Unser Inneres erscheint uns leer. Wir sind enttäuscht in unseren Beziehungen zu denen, die wir immer geliebt und bewundert haben. Das Ergebnis einer solchen Krise ist oft gewaltsam: daher das Flippo-Phänomen. Andere wagen es vielleicht tatsächlich, den Urbmon zu verlassen und ein neues Leben in den Gemeinden zu suchen, was natürlich eine Form von Selbstmord ist, da wir physisch und psychisch kaum noch in der Lage sind, uns an eine so harte und fordernde Umgebung anzupassen. Diejenigen aber, die weder Amok laufen noch sich körperlich vom Urbmon trennen, suchen manchmal eine innere Zuflucht, ziehen sich in ihre eigene Seele zurück, ziehen sich selbst zusammen als Reaktion auf das Eindringen anderer Individuen in ihren psychischen Bereich. Verstehst du, was ich sagen will?« Als Siegmund zweifelnd nickt, fährt der Gottesmann fort: »Unter den Führern des Urbmons, der Klasse der Leitenden, denen, die nach oben kamen durch den segensreichen Antrieb, ihren Mitbürgern zu dienen, ist dieser Vorgang besonders schmerzhaft, da er einen Zusammenbruch der Werte und einen Verlust an Motivation bewirkt. Aber das kann sehr leicht behoben werden.«
    »Leicht?«
    »Ich versichere es dir.«
    »Behoben? Wie?«
    »Wir werden es gemeinsam tun, sofort, und du wirst geheilt und als ganze Person wieder gehen, Siegmund. Der Weg zur Gesundung ist die Nähe zu Gott, verstehst du, indem wir Gott als die integrierende Kraft betrachten, die dem Universum seine Gesamtheit und Vollkommenheit gibt. Und ich werde dir Gott zeigen.«
    »Gott zeigen?« wiederholt Siegmund verständnislos.
    »Ja. Ja.« Der Gottesmann ist hastig dabei, die Kapelle zu verdunkeln, schaltet die Lichter aus und läßt die Fensterscheiben verdunkeln. Aus dem Boden schießt ein schalenförmiges Sitznetz, in das sich Siegmund sanft gedrängt fühlt. Er liegt da und sieht nach oben. Die Decke der Kapelle, bemerkt er jetzt, ist ein einziger großer Bildschirm. In seinen glasigen grünen Tiefen erscheint ein Bild des nächtlichen Himmels. Sterne wie Sand am Meer. Eine Milliarde Milliarden Lichtpunkte. Musik ertönt aus verborgenen Lautsprechern: eine Kosmosgruppe. Er macht die magischen Töne eines Vibrastars aus, eine Kometenharfe, den Umlaufbahntaucher. Dann legt die ganze Gruppe zugleich los. Vielleicht spielt Dillon Chrimes, sein Freund aus jener unglücklichen Nacht. Die Tiefe und Schärfe der Wiedergabe über ihm nimmt zu: Siegmund sieht das orangefarbene Glimmen des Mars, den perlengleichen Glanz des Jupiter. Gott besteht also aus einer Lightshow und einer Kosmosgruppe? Wie hohl! Wie leer!
    Der Gottesmann spricht in die Musik hinein: »Was du siehst, ist eine direkte Übertragung von der tausendsten Ebene. Das ist der Himmel über unserem Urbmon, wie er in diesem Augenblick aussieht. Vertiefe dich in die Dunkelheit der Nacht. Nimm das kalte Licht der Sterne in dich auf. Öffne dich der Unendlichkeit. Was du siehst, ist Gott. Was du siehst, ist Gott.«
    »Wo?«
    »Überall. Allem innewohnend und ewiglich.«
    »Ich kann es nicht sehen.«
    Die Musik wird lauter. Siegmund ist gefangen in einem Käfig schwerer Töne. Die astronomische Wiedergabe gewinnt an Intensität. Der Gottesmann lenkt Siegmunds Aufmerksamkeit auf diese und jene Sternansammlung, drängt ihn,
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