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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Autoren: Robert Silverberg
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höchsten Punkt des Gebäudes hochschwebt, bewegt er sich an den Etagen vorbei, in denen seine Brüder und Schwestern und deren Familien leben. Drei Brüder, drei Schwestern. Vier von ihnen jünger als er, zwei älter. Alle recht erfolgreich. Ein Bruder schon in jungen Jahren gestorben, leider. Jeffrey. Mattern denkt selten an Jeffrey. Jetzt passiert er die Etagen von Louisville, dem Verwaltungssektor. In wenigen Augenblicken wird er seinem Gast begegnen. Gortman hat die Tropen bereist und will jetzt eine typische Stadteinheit in der gemäßigten Zone besichtigen. Es ist eine Ehre für Mattern, daß er den offiziellen Gast bewirten darf. Er tritt auf die Landeplattform hinaus, die sich am höchsten Punkt von Urbmon 116 befindet. Ein Kraftfeld schützt ihn vor den heftigen Winden, die in dieser Höhe toben. Er sieht nach links und bemerkt die noch immer in Dunkelheit liegende Westfront von Urban Monad 115. Zu seiner Rechten blitzen die Ostfenster von Urbmon 117 auf. Gott segne Frau Hula Jabotinsky und ihre elf Kleinen, denkt Mattern. Mattern kann die anderen Urbmons in der Reihe erkennen, die sich bis zum Horizont hin erstrecken, drei Kilometer hohe Türme aus hochbelastbarem Beton, die sich graziösen Statuen gleich nach oben hin verjüngen. Es ist ein erregender Anblick. Gott segne, denkt er. Gott segne, Gott segne, Gott segne!
    Er hört das laute Summen von Rotoren. Ein Schnellboot landet. Ein großer, kräftiger Mann tritt heraus, gekleidet in ein Gewand mit den Farben vom äußersten Ende des Spektrums. Das muß der Soziocomputator von Hell sein.
    »Nicanor Gortman?« fragt Mattern. – »Gottes Segen. Charles Mattern?«
    »Gott segne, ja. Kommen Sie.«
    Hell ist eine der sieben Städte auf der Venus, die der Mensch zu einer für ihn angenehmen Umwelt geformt hat. Gortman war noch nie zuvor auf der Erde. Er spricht langsam und monoton, ohne jeden Rhythmus; die Betonung erinnert Mattern an die Art und Weise, wie in Urbmon 84 gesprochen wird, das er von einer beruflich bedingten Reise her kennt. Er hat Gortmans bisherige Veröffentlichungen gelesen: seriöse Arbeiten, gründlich und mit dem Augenmaß der Vernunft. »Besonders hat mir Die Dynamik der Jagdethik gefallen«, sagt Mattern, während sie den Lift betreten. »Bemerkenswert. Wahrhaft eine Offenbarung.«
    »Meinen Sie das im Ernst?« fragt Gortman geschmeichelt zurück.
    »Natürlich. Ich bemühe mich, laufend die wichtigsten venusianischen Publikationen zu verfolgen. Es ist faszinierend, über fremdartige Gebräuche zu lesen. Wie zum Beispiel das Jagen wilder Tiere.«
    »Gibt es denn auf der Erde keine?«
    »Gott segne, nein. Das könnten wir nicht zulassen! Aber es bereitet mir Vergnügen, mich in eine so andersartige Lebensweise hineinzudenken.«
    »Meine Essays sind also eine Art Fluchtliteratur für Sie?« fragt Gortman.
    Mattern sieht ihn etwas befremdet an. »Ich verstehe nicht, worauf Sie sich beziehen.«
    »Fluchtliteratur. Was Sie lesen, damit Ihnen das Leben auf der Erde erträglicher erscheint.«
    »Oh, nein. Das Leben auf der Erde ist ganz erträglich, seien Sie dessen versichert. Wir benötigen keine Fluchtliteratur. Ich studiere außerirdische Publikationen des Vergnügens wegen. Und natürlich, um Parallelen zu meiner eigenen Arbeit zu finden.« Sie haben die 799. Etage erreicht. »Ich will Ihnen zuerst Ihre Wohnung zeigen«, sagt Mattern, während er aus dem Fall-Lift tritt. »Das ist Schanghai. Ich meine, so nennen wir diesen ganzen Block von vierzig Etagen, von der 761. bis zur 800. Daß ich in der zweithöchsten Ebene von Schanghai wohne, weist auf meinen beruflichen Status hin. Insgesamt haben wir fünfundzwanzig Städte in Urbmon 116. Reykjavik befindet sich ganz unten und Louisville an der Spitze.«
    »Wie werden die Namen bestimmt?«
    »Durch Abstimmung aller Bürger. Schanghai hieß früher Kalkutta, was ich persönlich bevorzugte, aber eine kleine Gruppe Unzufriedener von der 778. Etage peitschte ‘75 ein Referendum durch.«
    »Ich dachte, daß es keine Unzufriedenen in den Stadteinheiten gäbe«, stellt Gortman fest.
    Mattern lächelt. »Nicht im üblichen Sinn. Aber wir lassen bestimmte Konflikte weiterhin zu. Der Mensch braucht Konflikte, um Mensch zu sein – sogar hier.«
    Sie gehen durch den östlichen Korridor in Richtung Matterns Wohnung. Es ist jetzt 0710, und Kinder strömen in Gruppen von drei oder vier aus ihren Apartments, hasten zur Schule. Mattern winkt ihnen zu. Sie singen, während sie vorbeilaufen. »Wir haben auf
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