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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Autoren: Robert Silverberg
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Können Sie bestreiten, daß wir hier glücklich sind? Kommen Sie mit. Wir werden uns jetzt eine Schule ansehen.«
    Die Schule, die Mattern ausgesucht hat, befindet sich in einem Arbeiterdistrikt in Prag, in der 108. Etage. Er nimmt an, daß Gortman sich dafür besonders interessieren wird, da die Bewohner von Prag die höchste Vermehrungsrate innerhalb von Urban Monad 116 haben und zwölf- oder fünfzehnköpfige Familien hier absolut nicht ungewöhnlich sind. Während sie sich dem Eingang der Schule nähern, hören Mattern und Gortman die klaren Stimmen, die das segensreiche Tun Gottes besingen. Mattern singt leise mit; es ist eine Hymne, die er in ihrem Alter einmal selbst gesungen hat, als er noch von der großen Familie träumte, die er eines Tages haben würde:
    Und dann pflanzt er den heiligen Samen,
    der in Mommos Schoß gedeiht.
    Und dann kommt ein kleines Menschenkind.
    Sie werden überraschend unterbrochen, als eine Frau durch den Korridor auf Mattern und Gortman zuhastet. Sie ist jung, wirkt unsauber, trägt nur einen übergeworfenen grauen Umhang; ihr Haar hat sich gelöst; man sieht deutlich, daß sie in einem fortgeschrittenen Stadium schwanger ist. »Hilfe!« schreit sie. »Mein Mann dreht durch! Ein Flippo!« Sie wirft sich bebend in Gortmans Arme. Gortman ist sichtlich verwirrt.
    Ein hagerer Mann, kaum zwanzig Jahre alt, läuft auf die Frau zu, die Augen blutunterlaufen. Er hält einen Schweißbrenner mit weißglühender Spitze. »Verdammte Hexe«, murmelt er. »Immer diese Babys! Schon sieben Babys und jetzt das achte, und ich verlier’ meinen Kopf!« Mattern ist entsetzt. Er reißt die Frau aus Gortmans Armen und schiebt den überraschten Besucher durch den Eingang der Schule.
    »Sagen Sie ihnen, hier draußen ist ein Flippo«, ruft Mattern. »Holen Sie Hilfe, schnell!« Er ist wütend, daß Gortman ausgerechnet eine so untypische Szene erleben muß, und er wünscht sich, er könnte ihn davon fernhalten.
    Das zitternde Mädchen verbirgt sich hinter Mattern, der so ruhig wie möglich sagt: »Lassen Sie uns vernünftig miteinander reden, junger Mann. Sie haben doch sicher Ihr ganzes Leben in Urbmons verbracht? Sie wissen, daß es segensreich ist, Leben zu schaffen. Warum wenden Sie sich dann plötzlich gegen die Prinzipien, auf denen…«
    »Gehen Sie – verdammt noch mal – von ihr weg, oder ich verbrenne Sie mit!«
    Der junge Mann richtet den Schweißbrenner genau auf Matterns Gesicht. Mattern spürt bereits die Hitze und den Geruch, der von der Brennermündung ausgeht, und weicht erschrocken zurück. Der junge Mann stürzt an ihm vorbei auf die Frau zu. Sie rennt weg, aber sie ist schon ihres Leibesumfangs wegen zu schwerfällig, und der Brenner trennt ihr Gewand durch. Bleiche, weiße, zum Zerreißen gedehnte Haut wird sichtbar, darüber verläuft eine Brandwunde wie ein leuchtender Streifen. Die Frau hält schützend die Hände vor ihren hervortretenden Bauch und fällt schreiend zu Boden. Der junge Mann stößt Mattern aus dem Weg und macht Anstalten, den Schweißbrenner in ihre Seite zu stoßen. Mattern versucht, seinen Arm festzuhalten. Er lenkt den Brenner ab, so daß er den Boden trifft. Der junge Mann läßt ihn fluchend fallen und wirft sich auf Mattern, trommelt mit seinen Fäusten wild auf ihn ein. »Hilfe!« schreit Mattern. »Helft mir!«
    Dutzende von Schulkindern platzen in den Korridor hinaus. Sie sind zwischen acht und elf Jahren alt. Sie singen weiterhin ihre Hymne, während sie sich vorwärtsschieben. Sie drängen den Angreifer von Mattern weg und bedecken ihn mit ihren Körpern, schnell und ohne Widerstand zuzulassen. Er ist unter der Masse der unaufhörlich auf ihn einschlagenden Schulkinder kaum mehr zu sehen. Und Dutzende mehr drängen noch aus dem Unterrichtsraum und stürzen sich ebenfalls auf den Haufen. Eine Sirene heult. Aus Lautsprechern dröhnt die Stimme des Lehrers: »Die Polizei ist hier! Alles aus dem Weg!«
    Vier uniformierte Männer sind angekommen. Sie überprüfen die Situation. Die verletzte Frau liegt schluchzend da, streicht mit den Händen über ihre Brandwunde. Der Verrückte ist bewußtlos; sein Gesicht ist blutverschmiert, und ein Auge scheint zerstört zu sein. »Was ist passiert?« fragt ein Polizeibeamter. »Wer sind Sie?«
    »Charles Mattern, Soziocomputator, 799. Ebene, Schanghai. Der Mann ist ein Flippo. Hat seine schwangere Frau mit dem Schweißbrenner angegriffen. Versuchte mich ebenfalls anzugreifen.«
    Die Polizisten zerren den stöhnenden
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