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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Autoren: Robert Silverberg
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Und da taucht mit einemmal das Gesicht seines Bruders aus der Erinnerung hervor, der einmal durch denselben Schacht gehen mußte; der Bruder, der ein Jahr älter gewesen war als er, Jeffrey, der Dieb, Jeffrey, der Selbstsüchtige, Jeffrey, der sich nicht anpassen konnte, Jeffrey, der in den Schacht geworfen werden mußte. Einen Augenblick lang fühlt sich Mattern krank und schwindlig. Er taumelt und greift verzweifelt nach einem Türgriff, um sich daran festzuhalten.
    Die Tür geht auf. Er geht hinein. Sein Nachtwandeln hat ihn noch nie in diese Etage geführt. Fünf Kinder schlafen in ihren Betten, und auf der Schlafplattform liegen ein Mann und eine Frau, beide jünger als er selbst, und beide schlafen. Mattern legt seine Kleidung ab und legt sich zur linken Seite der Frau nieder. Er berührt ihre Hüfte, dann ihre kleine kühle Brust. Sie öffnet die Augen, und er sagt: »Hallo. Charles Mattern, 799.«
    »Gina Burke«, sagt sie. »Mein Mann Lenny.«
    Lenny wacht auf. Er sieht Mattern, nickt, dreht sich um und schläft weiter. Mattern küßt Gina Burke leicht auf die Lippen. Sie öffnet ihre Arme, um ihn zu empfangen. Er bebt in seiner Not, und sie seufzt, als sie ihn empfängt. Gott segne, denkt er. Es war ein glücklicher Tag im Jahr 2381, und jetzt ist er vorbei.

2
    Die Stadt Chikago grenzt im Norden an Schanghai, im Süden an Edinburgh. Chikago hat zur Zeit 37.402 Einwohner und durchläuft eine leichte Bevölkerungskrise, die in der gewohnten Weise behoben werden wird. Die vorherrschende Berufsgruppe sind die Ingenieure. Darüber in Schanghai sind die meisten Akademiker, darunter in Edinburgh sammeln sich die Computerleute.
    Aurea Holston wurde 2368 in Chikago geboren und hat ihr ganzes Leben hier verbracht. Aurea ist jetzt vierzehn Jahre alt. Ihr Ehemann Memnon ist fast fünfzehn. Sie sind nahezu zwei Jahre verheiratet. Memnon ist schon durch das ganze Gebäude gereist, während Aurea kaum jemals aus Chikago herauskam. Chikago ist die Stadt, die sich von der 721. bis zur 760. Ebene von Urban Monad 116 erstreckt. Memnon und Aurea Holston leben in einem gemeinschaftlichen Schlafraum für kinderlose junge Paare in der 735. Ebene. Der Schlafraum ist im Augenblick von einunddreißig Paaren besetzt, das sind acht Paare über der vorgesehenen Höchstgrenze.
    »Hier wird bald ausgesiebt werden müssen«, sagt Memnon. »Wir platzen schon fast aus allen Nähten. Einige von uns werden gehen müssen.«
    »Viele?« fragt Aurea.
    »Drei Paare hier, fünf dort – überall ein paar. Insgesamt wird Urbmon 116 etwa zweitausend Paare abgeben. Soviel waren es beim letzten Mal.«
    Aurea schaudert. »Wohin werden sie gehen?«
    »Es heißt, der neue Urbmon sei schon fast fertig. Nummer 158.«
    Angst und Unbehagen überschwemmt ihre Seele. »Wie furchtbar das sein muß, von hier weggeschickt zu werden! Memnon, wir werden doch nicht gehen müssen?«
    »Natürlich nicht. Gott segne, man benötigt uns hier! Ich habe eine Leistungsbenotung von…«
    »Aber wir haben keine Kinder. Paare ohne Kinder werden doch immer zuerst genommen.«
    »Gott wird uns bald seinen Segen geben.« Memnon schließt sie in die Arme. Er ist groß, stark und schlank, seine roten Haare sind leicht gewellt, sein Ausdruck ist sicher und entschlossen. Ihre Krone aus goldenen Haaren färbt sich allmählich dunkler. Ihre Augen sind blaßgrün. Ihre Brüste sind voll, ihre Hüften breit. Ihr gemeinsamer Freund Siegmund Klüver pflegt zu sagen, daß sie wie eine Göttin der Mutterschaft aussieht. Die meisten Männer begehren sie, und Nachtwandler kommen oft, um ihre Schlafplattform mit ihr zu teilen. Und dennoch ist sie bisher unfruchtbar geblieben, ein Umstand, der sie zunehmend belastet.
    Memnon gibt sie wieder frei, und gedankenverloren geht sie durch den Schlafraum. Es ist ein langer, schmaler Raum, der rechtwinklig um den zentralen Funktionskern des Urbmons verläuft. Verhalten leuchtende Farbmuster in Blau, Gold und Grün bewegen sich über die Wände. Reihen von Schlafplattformen, einige abgelassen, einige in Benützung, nehmen die Bodenfläche ein. Die Möblierung ist denkbar einfach. Die fast zu grelle Beleuchtung erfolgt indirekt von Fußboden und Decke her. In die östliche Wand des Raums sind einige Bildschirme und drei Datenempfangsgeräte eingelassen. Es gibt fünf Toilettenbereiche, drei gemeinschaftliche Freizeitbereiche, zwei Reinigungsanlagen und zwei Bereiche mit Abschirmmöglichkeit.
    Ohne daß es abgesprochen wurde, werden die Abschirmungen in
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