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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Autoren: Robert Silverberg
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unsere einzige Quelle, von der wir Nahrungsmittel erhalten können. Ein Zustand gegenseitiger Unentbehrlichkeit, nicht wahr? Und das System funktioniert. Wir könnten zusätzlich noch viele Milliarden Menschen versorgen. Was wir eines Tages, so Gott es fügt, tun werden.«
    Der Fall-Lift rastet am untersten Ende seines Schachtes ein. Mattern spürt die erdrückende Masse des ganzen Urbmons über sich, und er ist etwas überrascht von der Intensität seines Unbehagens; er bemüht sich, seine Empfindung zu verbergen. Er erklärt: »Das Fundament der Konstruktion reicht vierhundert Meter tief in die Erde. Wir befinden uns jetzt auf der untersten Ebene. Hier erzeugen wir unsere Energie.« Sie durchqueren einen Verbindungsgang und spähen in einen gewaltigen Generatorenraum, der vom Boden bis zur Decke vierzig Meter mißt. Zahllose Turbinen rotieren leise. »Den größten Teil unserer Energie gewinnen wir«, erklärt er, »durch Verbrennung von hochkonzentriertem festem Abfall. Wir verbrennen alles, was wir nicht benötigen, und verkaufen den Rückstand als Düngemittel. Wir haben außerdem Hilfsgeneratoren, die die gesammelte menschliche Körperhitze verwerten.«
    »Ich habe mich schon gewundert«, murmelt Gortman, »wie Sie mit der Hitzeentwicklung fertig werden.«
    Mattern greift das Thema erfreut auf: »Es ist ganz klar, daß 800.000 Menschen innerhalb einer abgeschlossenen Umgebung einen bedeutenden Überschuß an Temperatur erzeugen. Ein Teil dieser Hitze wird durch Kühlrippen entlang der Außenflächen direkt vom Gebäude abgestrahlt. Ein anderer Teil wird nach unten geleitet und für den Betrieb der Generatoren benützt. Im Winter leiten wir sie natürlich gleichmäßig durch das Gebäude, um eine angemessene Temperatur zu halten. Der Rest der überschüssigen Hitze wird für die Wasserwiederaufbereitung und ähnliche Dinge benützt.«
    Sie beschäftigen sich eine Zeitlang mit dem elektrischen System. Dann zeigt Mattern den Weg zur Aufbereitungsanlage. Einige hundert Schulkinder besichtigen sie soeben; wortlos schließen sich die beiden Männer ihrer Besichtigungstour an.
    Die Lehrerin erklärt: »Hier kommt der Urin herunter, seht ihr?« Sie deutet auf riesige Plastikröhrchen. »Er wird durch die Erhitzungskammer geleitet, um ihn zu destillieren, und das gereinigte Wasser fließt hier hindurch – folgt mir jetzt bitte – ihr erinnert euch sicher von der Rißzeichnung her an den Bereich, in dem der Harn in seine chemischen Bestandteile zerlegt wird, die wir an die Landwirtschaftsgemeinden verkaufen…«
    Sie gehen weiter. Mattern erklärt seinem Gast die Klimastabilisierung, das System der Fall-Lifts und der Schwebe-Lifts und ähnliche Einrichtungen.
    »Es ist phantastisch«, sagt Gortman. »Ich vermochte mir nicht vorzustellen, wie ein kleiner Planet mit 75.000.000.000 Menschen überhaupt überleben kann, aber Sie haben es in ein… in…«
    »In ein Utopia verwandelt?« schlägt Mattern vor.
    »Ja, das wollte ich sagen«, sagt Gortman.
    Energiegewinnung und Müllbeseitigung sind nicht gerade Matterns Spezialgebiete. Er weiß zwar, wie das alles hier geschieht, aber nur, weil das Funktionieren des Urbmons ihn auch in dieser Hinsicht fasziniert. Sein eigentliches Arbeitsfeld aber ist die Soziocomputation, und er ist gebeten worden, dem Besucher zu erklären, wie die soziale Struktur des gigantischen Gebäudes organisiert wird. Sie bewegen sich jetzt nach oben zu den Wohnebenen.
    »Hier beginnt Reykjavik«, kündigt Mattern an. »Es wird hauptsächlich von Wartungsarbeitern bevölkert. Wir versuchen natürlich, Statusschichtungen möglichst zu vermeiden, aber jede Stadt hat ihre Elite, zum Beispiel Ingenieure, Akademiker, Künstler, Sie verstehen.
    Schanghai, wo ich wohne, ist vorwiegend akademisch. Die einzelnen Berufe sind in Verbänden organisiert.« Sie gehen die Haupthalle hinab. Mattern fühlt sich nicht besonders wohl in dieser niedrigen Ebene, und er hört nicht auf zu reden, um seine Nervosität zu verbergen. Er beschreibt, wie jede Stadt innerhalb des Urbmons ihren charakteristischen Slang, ihre Mode, ihre Folklore und ihre Heroen entwickelt.
    »Gibt es viele Kontakte zwischen den Städten?« fragt Gortman.
    »Wir versuchen das zu fördern. Sport, Austauschstudenten, regelmäßige gemischte Abende. Innerhalb vernünftiger Grenzen natürlich. Wir bringen kaum Leute von den Ebenen der Arbeiterklasse mit denen der akademischen Ebenen zusammen. Das würde doch nur alle unglücklich machen, nicht wahr?
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