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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Autoren: Robert Silverberg
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unserer Gebäudebesichtigung?« fragt Mattern.
    Sie gehen auf die Tür zu. Gortman verneigt sich zu Prinzipessa hin, bevor er und Mattern den Raum verlassen. Im Korridor sagt der Besucher: »Ihre Familie ist kleiner als die Norm, wie ich sehe.«
    Das ist eine verletzend unhöfliche Feststellung, aber Mattern vermag über den Fauxpas seines Gastes nachsichtig hinwegzusehen. Unbewegt erwidert er: »Wir hätten mehr Kinder gehabt, aber meine Frau mußte durch einen chirurgischen Eingriff unfruchtbar gemacht werden. Es war eine große Tragödie für uns.«
    »Große Familien wurden hier immer hoch eingeschätzt?«
    »Wir schätzen das Leben. Die Entstehung neuen Lebens zu verhindern ist die schwerste Sünde. Wir lieben unsere große, von heiterem Treiben erfüllte Welt. Erscheint sie Ihnen weniger wünschenswert? Wirken wir unglücklich?«
    »Sie wirken erstaunlich gut angepaßt«, sagt Gortman. »Wenn man in Betracht zieht…« Er hält inne.
    »Fahren Sie fort.«
    »Wenn man in Betracht zieht, daß es so viele von Ihnen gibt. Und daß Sie alle Ihr ganzes Leben in einem einzigen gigantischen Bauwerk verbringen. Sie verlassen das Gebäude nie, nicht wahr?«
    »Die meisten von uns nie«, gibt Mattern zu. »Ich war natürlich schon auf Reisen – ein Soziocomputator braucht auch andere Perspektiven, das ist klar. Aber Prinzipessa hat das Gebäude noch nie verlassen. Ich glaube, sie war auch noch nie unterhalb der 350. Ebene, außer bei einer Besichtigung der unteren Ebenen während ihrer Schulzeit. Warum sollte sie auch irgendwo anders hingehen wollen?
    Das Geheimnis unseres Glück besteht darin, daß wir in sich selbst abgeschlossene ‚Dörfer’ von fünf oder sechs Ebenen innerhalb der Städte von vierzig Ebenen schaffen, die sich wiederum in Urbmons mit 1000 Etagen befinden. Wir fühlen uns nicht zusammengedrängt oder überbevölkert. Wir kennen unsere Nachbarn; wir haben Hunderte von guten Freunden; wir verhalten uns solidarisch und sind freundschaftlich miteinander verbunden.«
    »Und alle sind immer glücklich?«
    »Fast alle.«
    »Wie sehen die Ausnahmen aus?« erkundigt sich Gortman.
    »Die Flippos«, erklärt Mattern. »Wir sind bestrebt, die Reibungen im Zusammenleben in einer solchen Umgebung möglichst gering zu halten; wie Sie sehen, wird keinem etwas verweigert, ein vernünftiges Verlangen wird niemals zurückgewiesen. Aber es kommt vor, daß Leute plötzlich glauben, sich nicht mehr unseren Grundsätzen fügen zu können. Sie drehen durch, flippen aus; sie verweigern sich anderen; sie rebellieren. Eine traurige Sache.«
    »Was tun Sie mit diesen Flippos?«
    »Wir entfernen sie natürlich«, sagt Mattern. Er lächelt, und sie betreten erneut den Fall-Lift.
    Mattern ist autorisiert worden, Gortman das ganze Urbmon zu zeigen, ein Unternehmen, das mehrere Tage beanspruchen wird. Er sieht dem ein wenig unsicher entgegen; er ist mit einigen Teilen der Gebäudestruktur nicht so vertraut, wie ein Führer es sein sollte, aber er wird sein Bestes tun.
    »Das Gebäude«, erklärt er, »ist aus hochbelastbarem Beton erbaut. Es ist rund um einen zentralen Funktionskern von etwa zweihundert Quadratmetern konstruiert. Ursprünglich sollte jede Ebene fünfzig Familien beherbergen, aber wir haben heute durchschnittlich 120, und die früheren Apartmentwohnungen sind alle in Einzelräume unterteilt worden. Wir sind in allem vollkommen unabhängig und verfügen über unsere eigenen Schulen, Krankenhäuser, Sportarenen, Gebetshäuser und Theater.«
    »Lebensmittel?«
    »Wir stellen keine selbst her. Aber wir haben vertraglichen Zugang zu den agrikulturellen Gemeinden. Sie haben sicher gesehen, daß fast neun Zehntel der gesamten Landfläche für die Nahrungsmittelproduktion verwendet wird; und dann gibt es auch noch die Seefarmen. Ja, wir haben jetzt genug Nahrung auf diesem Planeten, seit wir keinen Raum mehr verschwenden und es vermeiden, uns horizontal über das unersetzliche Land zu verbreiten.«
    »Aber sind Sie damit nicht von der Gnade der lebensmittelproduzierenden Gemeinden abhängig?«
    »Wann waren Stadtbewohner nicht von der Gnade der Bauern abhängig?« fragt Mattern zurück. »Aber Sie scheinen das Leben auf der Erde als einen ständigen Kampf zu betrachten. Doch wir müssen nicht ums Überleben kämpfen. Tatsächlich greift in der Ökologie unserer Welt ein Rad in das andere. Die Farmer brauchen uns – wir sind ihr einziger Markt, ihre einzige Quelle für industriell gefertigte Waren. Wir brauchen sie –
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