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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Autoren: Robert Silverberg
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Brüste wie fleischige Glocken hin und her. Sie ist ungewöhnlich schön. In seinem Körper findet ein kleiner Ausstoß von Hormonen statt. Das erinnert ihn daran, wie diese Nacht begonnen hat. Nachtwandeln in Warschau. Ein Mädchen. Er hat ihren Namen wieder vergessen. Sein Versagen auf der Schlafplattform.
    »Über Bildschirm ist eine Suchmeldung für Siegmund Klüver aus Schanghai gekommen. Die Sucher sind seit 0400 auf ihn eingestellt. Bist du das?«
    Siegmund nickt.
    »Ich kenne deine Frau. Sie heißt Mamelon, nicht?« Chrimes wirft einen Seitenblick auf seine eigene Frau. Als ob es hier noch ein Eifersuchtsproblem geben könnte. In einer tieferen Tonart erklärt er Siegmund: »Als ich einmal eine Vorstellung in Schanghai hatte, bin ich ihr während des Nachtwandeins begegnet. Sie ist reizend. Diese kühle Eleganz. Eine Statue, die von Leidenschaft erfüllt ist. Sie wird jetzt deinetwegen sehr besorgt sein, Siegmund.«
    »Vorstellung?«
    »Ich spiele den Vibrastar in einer der Kosmosgruppen.« Chrimes macht ekstatische Bewegungen mit seinen Fingern, als wolle er Tasten anschlagen. »Du hast mich vermutlich schon gesehen. Vielleicht wäre es gut, wenn ich jetzt deine Frau anrufe, in Ordnung?«
    »Eine rein persönliche Sache«, sagt Siegmund. »Ein Gefühl, als würde ich auseinanderfallen. Oder von meinen Wurzeln abgetrennt werden.«
    »Wie?«
    »Eine Art von Entwurzelt sein. Als ob ich nicht nach Schanghai gehören würde, nicht nach Louisville gehören würde, nicht nach Warschau, nirgendwohin. Nur eine Zusammenballung von Ambitionen und Gewohnheiten, kein wirkliches Selbst. Und ich bin verloren da drin.«
    »Worin?«
    »In mir selbst. Innerhalb des Gebäudes. Ein Gefühl, als würde ich auseinanderfallen. Stücke von mir bleiben überall zurück. Die verschiedenen Lagen meines Selbst schälen sich ab, treiben davon.« Siegmund wird sich dessen bewußt, daß Elektra Chrimes ihn anstarrt. Entsetzt. Er fühlt sich bis auf die Knochen entblößt. Vor ihm Dillon Chrimes’ ernstes, besorgtes Gesicht. Ein nettes Apartment. Polyspiegel, psychedelische Wandbehänge. Diese glücklichen Leute. Finden Erfüllung in ihrer Kunst. Sind an das Schaltbrett angeschlossen. »Verloren«, sagt Siegmund.
    »Übersiedlung nach San Franzisko«, schlägt Chrimes vor. »Wir haben es hier nicht so schwer. Platz ließe sich schaffen. Vielleicht entdeckst du künstlerische Talente. Du könntest vielleicht Bildschirm-Programme texten. Oder…«
    Siegmund lacht mit rauer Kehle. »Ich werde ein Showprogramm machen über diesen ehrgeizigen Streber, der fast an die Spitze kommt und dann feststellt, daß er das gar nicht will. Ich werde – nein, ich will nicht. Ich meine das alles gar nicht. Es ist die Droge, die durch meinen Mund redet. Diese beiden haben mir eine schmutzige Sache angedreht, das ist alles. Ihr solltet doch besser Mamelon anrufen.« Er kommt wieder auf die Füße. Zitternd. Mit dem Gefühl, mindestens neunzig Jahre alt zu sein. Er taumelt und beginnt zu fallen. Chrimes und seine Frau fangen ihn auf. Seine Wange fällt gegen Elektras schwingende Brüste. »Es ist die Droge, die durch meinen Mund redet«, sagt er noch einmal.
    »Es ist eine lange und traurige Geschichte«, sagt er zu Mamelon. »Ich bin an einen Ort gekommen, wo ich nicht sein wollte, und irgendwie nahm ich eine Kapsel, ohne zu wissen, was ich nahm, und danach lief alles verkehrt. Aber ich bin jetzt wieder in Ordnung. Ich bin ganz in Ordnung.«
    Nach einem Tag medizinisch begründeter Abwesenheit kehrt er zu seinem Schreibtisch in der Anschlußstelle von Louisville zurück. Ein Stapel von Memoranden erwartet ihn. Die großen Männer der Verwaltungsklasse bedürfen seiner Dienste. Nissim Shawke wünscht, daß er eine weitere Antwort an die Verfasser der Chikago-Petition verfaßt, in Sachen der möglichen Geschlechtsbestimmung der eigenen Nachkommen. Kipling Freehouse verlangt eine intuitive Interpretation gewisser Zahlen in der geschätzten Produktionsbilanz des nächsten Quartals. Monroe Stevis erwartet eine grafische Darstellung, in der der Besuch der Schallzentren mit der Inanspruchnahme von Gottesmännern und Beratern vergleichbar sein soll: ein psychologisches Profil der Bevölkerung von sechs verschiedenen Städten. Und so weiter. Sie brauchen seinen Kopf. Wie segensreich, daß er so nützlich sein kann. Wie sehr es ihn ermüdet, daß er benützt wird.
    Er tut sein Bestes, arbeitet trotz seiner Probleme. Das Gefühl, als würde er auseinanderfallen. Seine
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