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Ein fliehendes Pferd

Ein fliehendes Pferd

Titel: Ein fliehendes Pferd
Autoren: Martin Walser , Helmuth Kiesel
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sei so gut, frag, ob wir zwei Fahrräder kriegen, oder nein, wir kaufen welche, ja, endlich, jetzt flutscht es – zu spät, das Klaus-Buch-Wort war schon heraus, und Sabine hatte es als solches erkannt –, wir kaufen Räder, vorn, vis à vis vom Löwen, die blitzendsten Räder, die es gibt, dann fahren wir in die Stadt, dann kleiden wir uns ein, dann fahren wir mit den Rädern in die Wälder, dann stellen wir die Räder hin und machen einen Waldlauf. Komm.
    Sabine ließ sich schieben. Sie versuchte zu nicken. Sie dachte sicher an Klaus Buch. Aber sie sprach seinen Namen nicht aus. Sie gingen ins Dorf. Sie kauften die besten Fahrräder, die es gab. In der Stadt kauften sie die Kleidungen. Dann fuhren sie auf dem Seeweg zurück zur Wohnung. Das Radfahren machte gleich Spaß. Ihre Unbeholfenheit war kleiner als sie befürchtet hatten. Helmut sagte: Mensch, Sabine, bin ich froh, daß wir noch auf das Radfahren gekommen sind. Das ist der richtige Anfang. Wie das läuft. Ein richtiges Erfolgserlebnis, findest du nicht? Ja, rief Sabine. Wart nur, rief er, wenn wir uns umgezogen haben, wird es noch viel schöner. Er hatte das Gefühl, als könne ihn nichts mehr aufhalten.
    Das Umziehen in der Wohnung ging in unverminderter Hast vonstatten. Inzwischen war Sabine von Helmuts Eilkraft ergriffen. Beide bewegten sich mühelos. Sie fanden, in den Trainingsanzügen sähen sie komisch aus, aber nicht lächerlich. Sie sähe sogar sehr interessant aus, sagte Helmut. Wie eine Sportlerin aus einer transuralischen Sowjetrepublik. Du siehst aus, sagte sie, wie ein US-Generaldirektor am Samstag. Er hatte allerdings Angst, er habe seine Turnschuhe um eine Nummer zu klein gewählt. Endlich kenn ich dich wieder, sagte sie. Aber er ließ keine Pause zu.
    Als sie nach ihren Fahrrädern griffen, fuhr der alte silberne Mercedes vor. Es war Helene Buch. Sie war überhaupt nicht erstaunt, Halms mit Fahrrädern m der Hand und in Trainingsanzügen anzutreffen. Sie selbst war auch angezogen, wie sie Halms noch nicht gesehen hatten.
    Die älteste, verflickteste Jeanshose und eine dunkelblaue zweireihige Nadelstreifenjacke. Darunter ein ehemals schwarzes T-Shirt. Und die Haare eng am Kopf. Jetzt sah man, daß ihr Hals fast gebogen war. Man sah jetzt, daß sie den schönen langen sanft gebogenen Hals hatte, um diese überaus sanfte kleine Nase hoch in die Welt halten zu können.
Sie habe es im Hotelzimmer nicht mehr ausgehalten.
    Halms stellten die Fahrräder weg und gingen mit Helene hinein. Sabine machte Kaffee und fragte Hel, was sie ihr machen dürfe. Hel sagte, sie trinke gern einen Kaffee mit. Sabine sagte im Frageton, sie habe auch noch einen selbstgebackenen Kirschkuchen da. Ja, gern, sagte Hel. Jeder aß zwei Stücke von dem Kuchen. Hel sagte, das sei seit vier Jahren der erste Kuchen, den sie esse. Es sei der beste, den sie überhaupt je gegessen habe. Kaffee und Kuchen, das ist schon etwas, sagte Helmut. Ohne Kaffee und Kuchen, sagte er, möchte ich nicht leben. Er hoffte, Hel und Sabine bemerkten, daß er dieses Zeug nur sagte, damit das Schweigen nicht noch mehr anwüchse. Sobald niemand mehr etwas sagte, wurde das Kuchenessen ekelhaft feierlich. Danach fragte Sabine vorsichtig, ob es Hel störe, wenn sie eine Zigarette rauche. Nein, nein, sagte Helene und lächelte ein bißchen rekonvaleszentenhaft. Sie habe das Gefühl, sie könnte heute auch eine Zigarette vertragen. Sabine bot ihr eine an.
    Das Auffälligste war jetzt die rauchende Helene. Sie nahm lange, tiefe, ruhige Züge. Wie jemand, der sich von etwas ernsthaft überzeugt.
    Einmal sagte sie: Ich stör euch. Es wäre natürlich schön, wenn ihr euch durch mich nicht stören ließet. Wenn ihr, zum Beispiel, jetzt lesen würdet, wüßte ich, ich störe euch nicht. Ich will nur nicht allein sein, jetzt.
    Sabine fragte, ob sie noch eine Kanne Kaffee machen dürfe. Helene nickte mit einem zarten Eifer. Wir könnten dir auch einen zwölf Jahre alten Calvados anbieten, sagte Sabine. Helmut machte ein kritisches Gesicht und sagte schroff: Sabine! Sie sollten alles tun, was sie sonst auch täten, sagte Helene, sonst könne sie keine Sekunde länger bleiben. Sabine könne ihr gern ein Glas Calvados hinstellen, dann habe sie weniger das Gefühl, daß sie störe. Sabine schenkte jedem einen Calvados ein. Helmut sagte: Für mich nicht. Helene sagte: Warum rauchst du nicht? Helmut winkte ab. Ich mag es gern, wenn du Zigarren rauchst. Mein Vater hat auch Zigarren geraucht.
    Als man saß und
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