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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
Autoren: Joe R. Lansdale
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ein Paar Schuhe stapelten sich dort. Es blieb unklar, was er mit diesen Dingen getan oder warum er sie in einer schmierigen Kiste, verdeckt mit Stroh, im hinteren Teil der Scheune aufbewahrt hatte – und eigentlich wollten wir es auch gar nicht so genau wissen.
    Eine Zeit lang wurde Richard sehr viel Anteilnahme entgegengebracht. Er wohnte bei uns und begann wieder mit der Schule. Allerdings schweißte unser gemeinsames Erlebnis uns nicht enger zusammen, wie man es vielleicht erwartet hätte. Irgendwie lebten wir uns auseinander. Wir gingen zusammen zum Unterricht, unterhielten uns hin und wieder, schauten gemeinsam fern; er half im Autokino mit und schlief auf einer Matratze neben meinem Bett. Aber irgendetwas fehlte. Als wäre Gott höchstpersönlich vom Himmel herabgestiegen und hätte einen unsichtbaren Keil zwischen uns getrieben.
    Dann, als wir eines Nachmittags nach der Schule verabredet waren, tauchte er nicht auf. Ich erfuhr, dass er bereits in der Mittagspause weggegangen war. Einfach hinausspaziert. Er war nicht nach Hause gekommen, und niemand wusste, wo er steckte.
    Mein Vater stellte die ganze Stadt auf den Kopf, um ihn zu finden. Wir fuhren zur Farm der Chapmans hinaus und stießen lediglich auf schwärzliche Trümmer – das Haus, die Scheune, die Schuppen, alles restlos niedergebrannt. Die Tiere waren schon vor einiger Zeit verkauft worden, das Geld hatte Richard bekommen.
    Vermutlich hatte Richard das Feuer gelegt, aber er war nirgends zu entdecken. Die Polizei durchsuchte die Asche und alle Überbleibsel, um festzustellen, ob er selbst mitverbrannt war, aber man fand keine Knochen.
    Nach einigen Wochen kamen wir zu dem Schluss, dass er wohl den Plan in die Tat umgesetzt hatte, von dem er mir erzählt hatte. Dass er hinter Dewmont auf einen Zug aufgesprungen und irgendwohin gefahren war, wo er Arbeit finden und ein neues Leben anfangen konnte. So sehr wir uns um ihn bemüht hatten, er hatte es in unserer Nähe einfach nicht ausgehalten.
     
    Buster bediente weiterhin den Projektor, aber irgendwann im Laufe des Schuljahres entschied er, dass er kürzertreten müsse. Der Fußweg zur Arbeit strengte ihn mehr und mehr an. Freitags und samstags übernahm ich seinen Posten, die restliche Woche über machte er die Arbeit selbst.
    Eines Abends, an einem  Donnerstag, ging ich ihn im Vorführhäuschen besuchen. Er hielt eine große RC in der Hand und nahm einen Schluck. Als er mich sah, lächelte er und sagte: »Ist nur Cola, Stan.«
    Auf dem Boden neben ihm stand der Karton mit den Zeitungsausschnitten und Polizeiberichten.
    »Die müssen wir wohl mal zurückgeben«, sagte ich.
    »Weißt du was«, sagte er, »mach damit, was du willst. Spielt wohl keine Rolle. Für den Krempel interessiert sich keiner mehr. Wenn du ihn behalten willst, dann tu das. Oder schmeiß ihn weg. Ich werd die Sachen nicht zurückgeben. Jukes hat diese Jobs an den Nagel gehängt. Er hat drüben bei den Eisenbahnern eine Arbeit gekriegt, wo er doppelt so viel verdient.«
    Ich setzte mich auf den freien Stuhl und sagte: »Richard kommt wohl nicht mehr zurück.«
    »Schwer zu sagen. Aber ich glaube nicht.«
    »Er hat meine Roy-Rogers-Stiefel mitgenommen.«
    »Das ist hart.«
    »Er hat einen Zettel dagelassen, auf dem ›danke‹ steht. Wahrscheinlich meint er damit die ganzen letzten Wochen.«
    »Glaubst du, dass er in deiner Schuld steht?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ein Junge wie er hat vermutlich schon schwer genug zu tragen. Da muss man ihm nicht noch mehr aufbürden.«
    »Kann sein. Aber es waren meine Roy-Rogers-Stiefel.«
    »Das ist schlimm. Aber weißt du was, in einem Jahr wird dir das egal sein. Und in zwanzig Jahren wirst du an nix anderes als diese Stiefel denken.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Kommt schon noch. Man denkt, man wär erwachsen, und irgendwann weiß man, man wird es nie.«
    »Sie haben gesagt, dass böse Leute nicht immer böse aussehen. Aber Chapman und Bubba Joe, die sahen wirklich aus wie Ungeheuer.«
    »Manchmal irre ich mich eben. Ziemlich oft sogar.«
    »Und ich weiß immer noch nicht, warum Chapman Margret und Jewel Ellen umgebracht hat.«
    »Doch, das weißt du. Sie waren anders, und er war scharf auf sie. Oder zumindest auf Margret hatt er ’n Auge geworfen. Die hat er ermordet, darauf wett ich mit dir. Er hat ihr aufgelauert, ist über sie hergefallen, hat sich genommen, was er wollte, und sie abgemurkst.«
    »Und Jewel?«
    »Tja, wenn euer Gespräch mit Chapman genau so lief, wie du’s mir
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