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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
Autoren: Joe R. Lansdale
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erzählt hast, dann hat er nicht behauptet, er hätte sie umgebracht, oder? Mit all den andern Toten hat er sich gebrüstet und war stolz auf sich, aber er hat nicht gesagt, dass er die kleine Stilwind auf dem Gewissen hat.«
    »Er sah ein bisschen verwirrt aus, als ich sie erwähnt habe.«
    »Genau das mein ich. Kann sein, dass Chapman ihr Blut an seinen Händen hat. Das werden wir nie erfahren. So ist das eben im Leben. Über einen Haufen Dinge wirst du nie die Wahrheit erfahren, sondern kannst immer nur raten.«
    »Sie glauben also immer noch, dass einer der Stilwinds Jewel umgebracht hat?«
    »Ja, genau. Meiner Meinung nach steckt da nicht mehr dahinter. Kein großer Plan, bei dem die Teile ineinanderschnappen, so wie ich gedacht hab – auch wenn’s manchmal so läuft. Aber diesmal nicht, Stan. Und eins ist klar, Stilwind sieht nicht aus wie ’n Ungeheuer. Chapman war wahnsinnig, und Bubba Joe, dem hatt einfach wer ins Hirn geschissen. Stilwind, der ist das wahre Scheusal.«
    »Sie meinen, einer der Stilwinds hat sie in derselben Nacht umgebracht, damit es so aussieht, als wär es Margrets Mörder gewesen? Das könnte sein.«
    Buster grinste mich an. »Glaub ich nicht. Der eine konnte wohl kaum so schnell vom anderen Wind bekommen, dass beide Verbrechen innerhalb einer Stunde oder so über die Bühne gegangen sind. Ich vermute eher, dass Chapmans Hass und Stilwinds Verlangen danach, Jewel Ellen zum Schweigen zu bringen, einfach in derselben Nacht zum Ausbruch gekommen sind.«
    »Ein Zufall?«
    »Ganz genau.«
    »In den Krimigeschichten, die ich gelesen hab, heißt es immer, dass es keine Zufälle gibt.«
    »Die liegen falsch. Wenn du erst mal ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hast, wirst du merken, dass es im Leben genug Zufälle gibt, um dich in den Wahnsinn zu treiben.«
    »Hm. Das ist aber irgendwie unbefriedigend.«
    Buster grinste wieder. »Jetzt machst du Fortschritte. So läuft das nun mal. Ist nicht immer alles ganz befriedigend, aber wenn doch, dann kommt’s verdammt gut. Denk dran, genieß das Leben, denn am Ende ist Fleisch und Dreck doch alles wieder eins. Kapiert?«
    »Ich glaube schon.«
    »Gut.«
     
    Die Schule ging weiter; ich war vollauf damit beschäftigt, neue Freundschaften zu schließen und mich nicht von den Schulhofrüpeln vermöbeln zu lassen. Buster sah ich immer seltener. Abends machte ich inzwischen Hausaufgaben oder sah fern, und meistens nickten wir einander einfach nur zu.
    Dann, eines kühlen Abends im Oktober, erschien er nicht zur Arbeit. Ich musste den Projektor bedienen. Obwohl es schon spät war, konnte ich Daddy nach der Vorstellung überreden, mich von Drew und Callie zu Busters Haus fahren zu lassen.
    Als wir ins Viertel kamen, sagte Drew: »Die brauchen hier dringend mal Straßenlaternen.«
    »Die hätten sie bestimmt liebend gern«, sagte Callie, »aber ich bezweifle, dass die Stadt hier draußen welche aufstellt.«
    Drew parkte vor Busters Hütte. Es war alles dunkel. Ich stieg aus, betrat die Veranda und klopfte. Er machte nicht auf. Ich zögerte, einfach hineinzugehen. In letzter Zeit hatte er nicht mehr getrunken, aber es kam mir in den Sinn, dass er heute vielleicht schwach geworden war.
    Schließlich fasste ich mir ein Herz und drückte auf die Klinke. Die Tür war verschlossen.
    Ich ging zum Fenster, rüttelte am Rahmen, und er fuhr quietschend ein Stück nach oben.
    Ich beugte mich zu dem Spalt hinunter und rief Busters Namen. Er antwortete nicht.
    Ich schob das Fenster ganz hoch und kletterte ins Haus. Buster lag auf dem Bett und war bis zum Kinn zugedeckt. Seine Hände hielten die Decke, als hätte er sie gerade erst hochgezogen.
    Ich wusste auf den ersten Blick, dass er tot war.

25
     
    Daddy sorgte dafür, dass der Leichnam ins Bestattungsinstitut für Farbige kam, und bezahlte die Einbalsamierung. Wir versuchten, die Verwandten ausfindig zu machen, von denen Buster mir erzählt hatte, jedoch ohne Erfolg.
    Er wurde auf dem Farbigenfriedhof beigesetzt, in der Nähe der Stelle, wo Bubba Joe versucht hatte mich umzubringen. Sie beerdigten ihn ohne Grabstein zwischen zwei anderen Erdhügeln, auf denen ebenfalls keine Steine standen – auch das waren frische Gräber.
    Ich nahm seine Bücher an mich, wie er es gewollt hatte. Als ich sie zusammenpackte, fand Callie, die mir dabei half, eine Nachricht.
    »Stan, du bist mein wahrer Freund. Ich vermache dir meine Bücher und meine Schallplatten. Sie werden dir gefallen. Genieß dein Leben. Buster.«
    »Er hat
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