Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
habe ich getötet, weil ich das wollte, sondern weil es das Richtige war. Es war der Wille Gottes. Du bist meine einzige Verfehlung.
    Und du, junger Mann«, sagte er und schaute zu mir, »du bist wohl einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber du stammst aus einer lasterhaften Familie, das hab ich gleich gemerkt. Deine Schwester führt sich auf, als stünden ihr dieselben Rechte zu wie einem Mann. Dein Daddy schlägt auf mich ein, während ich nach meinem eigenen Sohn suche. Gewährt ihm Unterschlupf. Betreibt dieses Filmhaus. Das ist Unrecht.«
    »Du hast diese Menschen ermordet, um dir den Lohn zu sparen«, sagte Richard. »Deswegen hast du sie umgebracht, stimmt’s? Weil du ein Geizhals bist.«
    Chapman schnaubte. »So, glaubst du das? Tja, du irrst dich. Diese Menschen waren Säufer, haben Unzucht getrieben ... Das Mädel mit dem Silberzahn da, die war eine Hure, und sie hat mit der kleinen Stilwind verkehrt, wie es sich für Mädchen nicht ziemt. Ich hab versucht, ihr Gottes Wort zu predigen, aber sie wollte nichts davon hören.«
    »Haben Sie ihr Gottes Wort an den Bahngleisen gepredigt?«, fragte ich.
    »Ich predige das Wort Gottes, wo man seiner bedarf.«
    »Ich glaube, Sie wollten Margret selber«, sagte ich. »Und Sie konnten nicht zulassen, das jemand anders sie kriegt. Also sind Sie ihr eines Abends hinterhergegangen ... mit dieser Sense, und dann haben Sie sie umgebracht. Und haben den Kopf hier vergraben.«
    »Du bist kein Mann Gottes«, sagte Richard. »Du bist keinen Deut besser als ich. Du bist sogar schlechter als ich.«
    Chapman bekam einen traurigen Gesichtsausdruck. Er schaute Richard an, als wäre er das letzte Häppchen auf einem Teller.
    »Sie haben Margret umgebracht und Jewel verbrannt, stimmt’s?«, sagte ich.
    »Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst«, gab Chapman zurück. »Und jetzt ist Schluss damit.«
    In diesem Augenblick schmiss Richard Chapman eine Schaufel Erde ins Gesicht. Dann stürzte er davon. »Lauf!«
    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich rannte Richard hinterher, zurück in Richtung Sägemühle.
    Im Zickzack liefen wir zwischen den Bäumen hindurch. Endlich erreichten wir die Stelle, von der aus wir die Sägemühle und die Straße dahinter sehen konnten. Ich warf einen Blick über die Schulter. Chapman holte auf. Speichel hing ihm am Mund und glänzte wie Schaum.
    Ich begriff, dass er uns einholen würde, bevor wir es zur Straße schaffen konnten.
    Genau diesen Moment wählte Nub, um aus dem Wald zu preschen, und als er sah, dass ich rannte und Mr Chapman mir auf den Fersen war, schoss er bellend auf meinen Verfolger zu.
    Ich hätte nicht stehen bleiben sollen, aber ich drehte mich um und schrie nach Nub. Zu spät. Nub fiel über Chapmans Knöchel her, und obwohl er ihn nicht richtig zu fassen bekam, strauchelte Chapman und schlug hin, und die Sense flog im hohen Bogen vor ihm auf den Boden.
    Während er sich aufrappelte, rief ich, so streng und nachdrücklich ich konnte, nach Nub. Er bellte Chapman noch einmal kurz an, dann beschloss er, mir ausnahmsweise zu gehorchen. Fröhlich kam er auf mich zugeflitzt, als wäre alles nur ein Spiel.
    Ich beugte mich hinunter, streckte die Hände aus, und Nub sprang mir auf den Arm. Dann drehte ich mich um und rannte los. Als ich einen kurzen Blick nach hinten riskierte, sah ich, dass Chapman wieder auf den Füßen war und mit der Sense in den Händen an Tempo gewann.
    Vor mir hatte Richard die Sägemühle schon fast erreicht. Ich raste ihm hinterher, keuchte unter Nubs Gewicht – und vor Angst. Als ich an der Sägemühle ankam, stand Richard am Fuß der alten Leiter, die an dem Gebäude befestigt war und zur oberen Ebene führte. »Rauf da«, sagte er.
    Hochzuklettern hielt ich für keine gute Idee. Wir würden wie die Mäuse in der Falle sitzen. Aber ich hatte keine Puste mehr, und meine Lunge fühlte sich an, als würde sie jeden Augenblick platzen.
    Richard kraxelte als Erster die Leiter hinauf. Mit einer Hand warf ich mir Nub über die Schulter, dann fing ich an zu klettern. Beinahe hätte ich den Halt an den Holzstreben verloren – und Nub, der sich unter meinem Griff wand wie eine Schlange.
    »Mach schon, schneller!«, rief Richard.
    Die Leiter war über fünf Meter lang, und mir kam es vor, als wäre ich langsamer als ein Faultier, aber ich erreichte die obere Etage, bevor Chapman mich eingeholt hatte, setzte Nub ab und schaute nach unten.
    Chapman balancierte die Sense auf seiner Schulter und kletterte uns
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher