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Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
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anfing, den Hals der Toten abzusuchen, leuchtete eine Anzahl kleiner weißer Sternchen auf, wie Glassplitter auf einer dunklen Straße, die von einem Scheinwerfer getroffen werden. Er hielt den Stab über die Stelle, und ich nahm einen sterilen Tupfer.
    Wir hatten dasselbe glitzernde Zeug auch auf den ersten drei Opfern gefunden, am meisten beim dritten Fall, am wenigsten beim ersten. Wir hatten Proben davon ins Labor geschickt. Bis jetzt konnte dieser seltsame Rückstand nicht identifiziert werden, bis auf die Tatsache, daß es sich um einen anorganischen Stoff handelte. Wir waren nicht sehr viel weiter gekommen, hatten mittlerweile aber eine ziemlich lange Liste von Substanzen, die es sein konnten. In den letzten zwei Wochen hatten Vander und ich mehrere Testserien laufen lassen, hatten alles mögliche, von der Margarine bis zur Körperlotion, auf unsere Unterarme geschmiert, um zu sehen, was auf den Laser reagierte und was nicht. Es leuchteten weniger Substanzen auf, als wir erwartet hatten, und nichts leuchtete so hell wie die unbekannte, glitzernde Substanz.
    Ich schob vorsichtig einen Finger unter das Stromkabel um Lori Petersens Hals und legte eine rote Furche im Fleisch frei. Der Rand war nicht scharf begrenzt - die Erdrosselung hatte langsamer stattgefunden, als ich ursprünglich gedacht hatte. Ich konnte die Abschürfungen sehen, die das Kabel verursacht hatte, als es mehrmals über dieselbe Stelle geglitten war. Es war locker genug, um die Frau eine Zeitlang gerade noch am Leben zu halten. Dann plötzlich war es fest zugezogen worden.
    "Versuchen Sie es an den Fesseln um ihre Fußgelenke", sagte ich ruhig.
    Wir tasteten uns weiter nach unten. Dieselben Spuren befanden sich auch dort, aber wieder nur sehr wenige. Der Rückstand, was immer es auch war, war nirgends auf ihrem Gesicht zu finden, ebensowenig in ihren Haaren oder an den Beinen. Wir fanden einige Spuren auf ihren Unterarmen und eine paillettenförmige Ansammlung auf ihren Oberarmen und Brüsten. Eine Gruppe von kleinen weißen Tupfen klebte auf den Schnüren, die ihre Handgelenke auf dem Rücken zusammenhielten, und auf ihrem zerschnittenen Morgenmantel glitzerten auch einige Tupfen. Ich ging vom Tisch weg, zündete eine Zigarette an und rekonstruierte.
    Der Mörder hatte irgendein Material an den Händen, das überall dort hängenblieb, wo er sein Opfer berührte. Nachdem Lori Petersen ihren Morgenmantel nicht mehr trug, hatte er vielleicht an ihre rechte Schulter gegriffen, und seine Fingerkuppen hatten die Abdrücke oberhalb ihres Schlüsselbeins hinterlassen. In einem Punkt war ich mir sicher: Da die Konzentration der Substanz über ihrem Schlüsselbein am höchsten war, mußte er sie hier zuerst berührt haben.
    Das war verwirrend, ein Teil, das zu passen schien, aber gar nicht wirklich paßte. Von Anfang an hatte ich angenommen, daß der Mörder seine Opfer sofort mit Gewalt festhielt, sie gefügig machte, vielleicht mit einem Messer drohte, und sie dann fesselte, bevor er ihre Kleider aufschnitt oder irgend etwas anderes machte. Je mehr er berührt hätte, desto weniger blieb von der Substanz auf seinen Händen übrig. Warum diese hohe Konzentration oberhalb des Schlüsselbeins? Lag diese Stelle ihrer Haut bloß, als er seinen Angriff begann? Ich hätte es nicht angenommen. Der Morgenrock war aus einem feingewebten Baumwollmaterial, weich und dehnbar und so geschnitten, daß er fast wie ein langärmeliges T-Shirt aussah. Er hatte keine Knöpfe oder Reißverschlüsse, und die einzige Möglichkeit, ihn anzuziehen, war, ihn über den Kopf zu ziehen. Sie wäre bis zu ihrem Hals bedeckt gewesen. Wie konnte der Mörder die bloße Haut über ihrem Schlüsselbein berühren, wenn sie ihren Morgenrock noch anhatte? Warum war der Stoff überhaupt in einer so hohen Konzentration vorhanden? Wir hatten vorher nie eine so hohe Konzentration gefunden.
    Ich ging hinaus auf den Korridor, wo einige Polizeibeamte an der Wand lehnten und sich unterhielten. Ich bat einen von ihnen, Marino über Funk zu verständigen und ihn zu bitten, mich sofort anzurufen. Kurz darauf hörte ich Marinos Stimme knisternd antworten: "Zehn vier."
    Ich schritt schnell über den harten Fliesenboden in dem Autopsieraum mit seinen glänzenden Chromtischen und Waschbecken und Wägen, auf denen die chirurgischen Instrumente lagen. Irgendwo tropfte ein Wasserhahn, und das Desinfektionsmittel roch übelkeiterregend süßlich. Das schwarze Telefon auf dem Tisch ärgerte mich mit seinem
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