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Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
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war von den Fernsehscheinwerfern erleuchtet, die vor dem Hintergrund der hypnotisierend blinkenden, roten und blauen Lichter schwebten. Reporter mit Notizbüchern und Kassettenrecordern waren überall und warteten ungeduldig auf den Augenblick, in dem die Leiche über die Eingangstreppen hinuntergetragen und in den Krankenwagen geschoben würde. Ein Fernsehteam war auf der Straße, eine Frau in einem fest zusammengeschnürten Trenchcoat sprach mit ernstem Gesicht in ein Mikrophon, während eine Kamera sie "am Tatort" für die Samstagabendnachrichten aufnahm.
    Bill Boltz, der Oberste Staatsanwalt, war gerade angekommen und stieg aus seinem Wagen. Er machte einen abwesenden und schläfrigen Eindruck und zog es vor, den Reportern auszuweichen. Er hatte nichts zu sagen, da er noch nichts wußte. Ich fragte mich, wer ihn benachrichtigt hatte. Vielleicht Marino.
    Polizisten wimmelten überall herum, einige von ihnen suchten ziellos das Gras mit ihren starken Halogenlampen ab, einige standen neben den weißen Streifenwagen und redeten miteinander. Boltz zurrte seine Windjacke zu und nickte kurz, als unsere Augen sich trafen, dann eilte er den Weg hinauf.
    Der Polizeichef und ein Major saßen in einem zivilen, beigefarbenen Auto, das Innenlicht war an, ihre Gesichter bleich, und sie nickten hin und wieder und machten Bemerkungen zu der Reporterin Abby Turnbull. Sie sagte irgend etwas zu ihnen durch das offene Fenster und wartete, bis wir auf der Straße waren, um dann hinter uns herzueilen.
    Marino wies sie mit einer Handbewegung und einem "Hey, kein Kommentar" ab. Er machte den Weg frei. Er war beinahe beruhigt.
    "Ist das nicht der letzte Abschaum?" meinte Marino angewidert und klopfte seine Jacke nach Zigaretten ab.
    "Ein wahrhafter Affenzirkus."
    Der beginnende Regen war kühl auf meinem Gesicht, als Marino die Tür des Kombis für mich aufhielt. Während ich den Wagen startete, beugte er sich herab und sagte mit einem Grinsen: "Fahren Sie sehr vorsichtig, Doc."

2
    Das weiße Zifferblatt hing wie ein Vollmond am dunklen Himmel, hoch über den Gewölben des alten Bahnhofs, den Gleisen und der Überführung. Die Zeiger der riesigen Uhr waren stehengeblieben, als der letzte Passagierzug vor vielen Jahren hier gehalten hatte. Es war um zwölf Uhr siebzehn gewesen. Es würde immer zwölf Uhr siebzehn an diesem Ende der Stadt sein, wo das städtische Gesundheitswesen beschlossen hatte, ein Krankenhaus für die Toten zu errichten.
    Hier war die Zeit stehengeblieben. Gebäude wurden aufgebaut und wieder niedergerissen. Verkehr und Güterzüge krachen und dröhnen wie ein fernes, mürrisches Meer. Die Erde ist voller unkrautbewachsenem Dreck, voller Trümmer, wo nichts mehr wächst und wo es keine Lichter mehr gibt, wenn es dunkel geworden ist. Hier bewegt sich nichts mehr, außer den Lastwagenfahrern und den Reisenden und den Zügen, die auf ihren Wegen aus Beton und Eisen dahinziehen. Das weiße Zifferblatt starrte mich an, als ich durch die Dunkelheit fuhr, starrte mich an wie das Gesicht in meinem Traum.
    Ich lenkte den Kombi durch ein Tor in dem Drahtzaun und parkte hinter dem Gebäude, in dem ich jeden Tag der vergangenen zwei Jahre zugebracht hatte. Der einzige Dienstwagen, der außer meinem auf dem Platz stand, war der graue Plymouth von Neils Vander, dem Fingerabdruckspezialisten. Ich hatte ihn sofort, nachdem Marino mich angerufen hatte, verständigt. Nach dem zweiten Mord war es zu einem Prinzip geworden, sofort zu handeln. Ein weiteres Prinzip war das, daß Vander sofort zu mir ins Leichenschauhaus kommen sollte. Inzwischen war er im Röntgenraum und setzte den Laser in Betrieb.
    Aus der offenen Vorhalle schien Licht auf die Straße, und zwei Sanitäter zogen eine Bahre mit einem schwarzen Leichensack aus dem Laderaum eines Krankenwagens. Solche Lieferungen kamen die ganze Nacht hindurch an. Jeder, der in Central Virginia eines gewaltsamen, plötzlichen oder eigenartigen Todes starb, wurde hierhergebracht, egal zu welcher Uhrzeit.
    Die jungen Männer in ihren Overalls sahen überrascht aus, als sie bemerkten, daß ich durch die Vorhalle kam und ihnen die Tür, die ins Innere des Gebäudes führte, aufhielt. "Sie sind früh auf, Doc."
    "Selbstmord aus Mecklenburg", sagte der andere Begleiter bereitwillig. "Hat sich vor einen Zug geworfen. Ist über hundert Meter weit mitgeschleift worden."
    "Ja, ja. Nicht mehr viel übrig ..."
    Die Bahre holperte durch die offene Tür und in den weißtapezierten Korridor. Der
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