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Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
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Leichensack schien defekt zu sein oder gerissen. Blut tropfte durch die Unterlage der Bahre hindurch und hinterließ eine rote Spur auf dem Boden.
    Das Leichenschauhaus hatte einen spezifischen Geruch, den muffigen Gestank des Todes, den keine noch so große Menge von Duftsprays überdecken konnte. Wenn man mich mit verbundenen Augen hierhergebracht hätte, wüßte ich sofort, wo ich mich befand. In diesen frühen Morgenstunden war der Geruch noch scheußlicher, noch unerträglicher als sonst. Die Bahre klapperte laut durch die Halle, als die Sanitäter das Selbstmordopfer zu dem Kühlraum trugen.
    Ich ging direkt in das Büro des Leichenschauhauses, wo Fred, der Sicherheitsbeamte, Kaffee aus einem Styroporbecher nippte und darauf wartete, daß die Leute von dem Krankenwagen die Leiche in eine Liste eintrugen. Er saß auf der Ecke des Tisches und hatte sich nach unten gebeugt, damit er nichts sehen konnte, wie er es immer tat, wenn eine Leiche gebracht wurde. Selbst wenn man eine Pistole an seinen Kopf halten würde, könnte man ihn nicht dazu bewegen, irgend jemanden in den Kühlraum zu bringen. Markierungen an den kalten Füßen, die aus den weißen Tüchern herausstanden, hatten eine besondere Wirkung auf ihn. Er warf einen Blick auf die Wanduhr. Seine Schicht war beinahe zu Ende.
    "Wir kriegen wieder eine Erdrosselung rein", sagte ich zu ihm.
    "Du lieber Gott! Das tut mir wirklich leid." Er schüttelte den Kopf. "Ich sag' Ihnen, es ist verdammt schwer, sich vorzustellen, daß jemand so etwas tun kann. All diese armen jungen Ladies." Er schüttelte immer noch den Kopf.
    "Die Leiche wird in den nächsten Minuten hier eintreffen, und ich möchte sichergehen, daß die Tür zur Vorhalle geschlossen wird und geschlossen bleibt, sobald die Leiche herinnen ist, Fred. Draußen wird es vor Reportern nur so wimmeln. Ich möchte niemanden im Umkreis von hundert Metern um dieses Gebäude sehen. Ist das klar?" Meine Stimme klang scharf und hart, und ich wußte es. Meine Nerve n surrten wie ein Stromkabel.
    "Ja, Ma'am." Ein energisches Nicken. "Ich werde aufpassen, werd' ich bestimmt."
    Während er sich eine Zigarette anzündete, griff ich nach dem Telefon und wählte die Nummer von meiner Wohnung. Bertha nahm nach dem zweiten Läuten ab und klang schlaftrunken, als sie heiser "Hallo?" sagte.
    "Ich wollte nur nach dem Rechten sehen."
    "Ich bin da. Lucy hat sich nicht gerührt, Dr. Kay. Schläft wie ein Murmeltier, hat nicht mal gehört, wie ich gekommen bin."
    "Danke, Bertha. Ich kann Ihnen nicht genug danken. Ich weiß nicht, wann ich nach Hause komme."
    "Ich werde hierbleiben, bis Sie kommen, Dr. Kay."
    Bertha war in den letzten Tagen auf Abruf bereit, zu kommen. Wenn ich mitten in der Nacht angerufen wurde, dann wurde auch sie angerufen. Ich hatte ihr einen Schlüssel für die Haustür gegeben und sie mit der Alarmanlage vertraut gemacht. Sie kam vermutlich ein paar Minuten, nachdem ich gegangen war, bei mir zu Hause an.
    Dumpf dachte ich daran, daß Lucy, wenn sie in ein paar Stunden aufstehen würde, Bertha anstatt ihrer Tante Kay in der Küche vorfinden würde. Ich hatte Lucy versprochen, heute mit ihr nach Monticello zu fahren.
    Auf einem Transportwagen stand der Stromkasten, kleiner als ein Mikrowellenherd, mit einer Reihe von hellen grünen Lichtern auf der Vorderseite. Er hing wie ein Satellit in der pechschwarzen Dunkelheit des Röntgenraumes, ein Spiralkabel führte von ihm zu einem bleistiftdünnen Stab, der mit Meerwasser gefüllt war. Der Laser, den wir letzten Winter bekommen hatten, war ein relativ einfaches Gerät. Unter normalen Lichtquellen geben Atome und Moleküle unabhängig voneinander Lichtstrahlen unterschiedlicher Wellenlänge ab. Wird ein Atom aber durch Hitze in einen energiereichen Zustand versetzt und wird dann Licht einer bestimmten Wellenlänge daraufgestrahlt, so kann man das Atom dazu bringen, phasengleiches Licht abzustrahlen.
    "Geben Sie mir noch eine Minute." Neils Vander hantierte an verschiedenen Knöpfen und Schaltern herum, den Rücken mir zugewandt. "Er braucht ziemlich lange, um heute morgen warm zu werden ..." Und mit einem gedrückten Murmeln fügte er hinzu: "Das trifft auch für mich zu."
    Ich stand auf der anderen Seite des Röntgentisches und sah seinen Schatten durch eine getönte Schutzbrille. Direkt vor mir befand sich der dunkle Umriß von Lori Petersens menschlichen Überresten, die Decken von ihrem Bett waren aufgeschlagen, aber immer noch unter ihr. Ich stand eine
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