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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition)
Autoren: Ippolito Nievo
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seinen Einbildungen ab und wollte um jeden Preis beichten, und er legte auch tatsächlich seine Beichte ab, nämlich Morosina gegenüber, versteifte er sich doch darauf, in ihr jenen Priester von vor zweihundert Jahren zu erblicken, der ihn damals vor der ewigen Verdammnis errettet hatte. Dann neigte er sich zu ihrem Ohr und sagte:« Hör zu, geliebte Seele! Wenn es dir in ein paar Jahren widerfährt, dass du einem Kaiser begegnest... keinem gewöhnlichen, weißt du... nein, einem Kaiser von ganz besonderem Schlag ... nun denn... sieh ihn dir an, sieh ihn dir genau an... Ich möchte wetten, wir werden uns wiedererkennen! »
    Das waren seine letzten Worte. Chirichillo verschied am 15. November 1768. Ich kann ja nichts verbürgen, aber neun Monate später, am 15. August 1769, kam in Ajaccio Napoleon Bonaparte zur Welt.

NACHWORT
    Wer in Venedig das Museum des 18. Jahrhunderts im Palazzo Rezzonico besucht, sollte sich einen Blick auf Francesco Guardis Gemälde Il parlatorio delle monache di San Zaccaria nicht entgehen lassen. Die jungen Nonnen darin sind zwar in ihren vergitterten Logen von den Besuchern abgetrennt, aber das hindert sie keineswegs daran, an der dargestellten Szene lebhaften Anteil zu nehmen. Man glaubt das Stimmengewirr im Raum zu hören, das Klappern der Teetassen, das Bellen des kleinen Schoßhundes, den die elegante Dame im weißem Reifrock mitgebracht hat, das Lachen der herausgeputzten Kinder vor dem eigens für sie aufgebauten Puppentheater. In einem Sprechsaal wie diesem lässt Ippolito Nievo seinen Roman Angelo di bontà beginnen. Zwar hat er das Kloster der Seraphinerinnen ebenso erfunden wie das Ufer San Pieretto, an dem er es ansiedelt. Aber dass er fiktiv ist, nimmt dem Schauplatz nichts von seinem exemplarischen Charakter. Die jungen Damen, die von den Patrizierfamilien zur Erziehung in diesen Konvent gegeben werden, müssen die Abgeschiedenheit nicht fürchten. Unzweideutiger noch als auf dem Gemälde Guardis ist ihr Sprechsaal ein Salon. Die Äbtissin führt darin ein offenkundig sehr weltliches Regiment. Wer sich hier so innig der Musik hingibt wie die jungen Nonnen, deren engelgleiche Stimmen wenige Jahre zuvor den Sekretär der französischen Botschaft in Venedig, Jean Jacques Rousseau, so tief beeindruckten, erregt eher Spott als Bewunderung. So frivol wird hier parliert, so selbstverständlich werden Liebschaften und Heiratsprojekte lanciert, dass der Leser ahnt, warum die lasziven Romane des 18. Jahrhunderts so gern in den venezianischen Klöstern angesiedelt waren und die Sprechsäle dazu genutzt wurden, den Abenteurern junge Nonnen als Geliebte zuzuführen.
    Wie aus einem Füllhorn lässt sich aus diesem Sprechsaal die Mythologie der Dekadenz herausziehen, in die das Venedig des 18. Jahrhunderts schon gehüllt wurde, ehe es als Republik und selbständiger Staat unterging. Und so begegnen uns in diesem Roman die verarmten Adligen, die ihre Stimmen verkaufen, die Drahtzieher der großen und kleinen Intrigen, die gänzlich unfähigen kleinen Statthalter Venedigs auf dem Festland, der Terraferma, die Spieler im Ridotto, die eifersüchtig über die Heiratsaussichten ihrer Kinder wachenden Gattinnen der Opportunisten. Auf ihnen allen aber ruht ein distanzierter, ja strenger Blick. Denn nichts lag dem Autor dieses Romans ferner, als in den Bildern des maskierten, auf Illusionen weich gebetteten Untergangs zu schwelgen. Ippolito Nievo war nicht der Mann, die Welt des Ancien régime in mildes Licht zu tauchen. Er war jung, er war bis zum Zerbersten angefüllt mit Gegenwart, und er wusste, dass in dieser Gegenwart die Zukunft nicht nur Venedigs, sondern ganz Italiens steckte, dieses Vibrieren auf die noch zu entbindende Zukunft hin machte ihn gänzlich ungeeignet, sich der Vergangenheit sine ira et studio zuzuwenden. Er wollte sie hineinziehen in seine Gegenwart, wollte sie zum Bündnispartner machen für seine Projekte, für die literarischen wie die politischen. Und es steckte, frappierend viel von beidem – von der Literatur wie von der Politik – in der kurzen Biographie diesesjungen Mannes. Nievo war im November 1831 in Padua geboren, als Sohn eines Beamten aus dem Kleinadel von Mantua. Sein Großvater mütterhcherseits, Carlo Marin, Leiter der Finanzverwaltung von Verona, entstammte dem venezianischen Patriziat. Ein literarisch gebildeter Onkel nahm ihn unter seine Fittiche, früh schon muss den Gymnasiasten der poetische Ehrgeiz erfasst haben. Mit fünfzehn stellte er seine erste
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