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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition)
Autoren: Ippolito Nievo
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ihnen, sondern ihm war zum Weinen zumute. Was war denn der Grund für diesen geheimen Kummer des guten Mannes, werdet ihr fragen; und ich will euch sagen, dass er sich die heftigsten Vorwürfe machte wegen des ungünstigen Urteils, das er jahrelang über Formiani gehegt und das durch dessen letzte Taten so triumphal widerlegt worden war. Das reute ihn wie eine schwere Verfehlung, und er hielt sich auch dadurch nicht für entschuldigt, dass die Bekehrung des alten Inquisitors erst spät erfolgt war; denn ihm kam vor, es könne nicht von Grund auf schlecht gewesen sein, wer dann auf einmal so einzigartige Güte an den Tag gelegt hatte.
    « Ob der Herr mir wegen dieser Sünde», brütete der Schreiber bei sich,«noch drei oder vier Leben in diesem Jammertal auferlegt...? Umso besser», tröstete er sich.«Im Paradies hätte ich das Gute nur für mich, hier unten kann ich es für andere wirken, und das ist an sich schon ein solches Vergnügen, dass es für mich gleich zweimal das Paradies ist...! Oh, wenn ich doch nur Kaiser würde ...! Dann sollte man sehen, wie ich sie ordentlich zurechtstauche, diese Tölpel von Menschen, die alle Platz genug haben zum Gehen und doch beständig ihrem Nächsten auf den Füßen herumtrampeln ... ! »
    Um nun noch alles Weitere zu erzählen: Die Vermählung Celios und Morosinas fand an dem von Formiani festgesetzten Tag statt. Danach nahmen sie ihren Wohnsitz in Caneva, dem Schauplatz ihrer unschuldigen Kindertage, der nun auch zunehmend zum Schauplatz ihres Glücks wurde. In langen Jahren wuchs ihnen eine vielköpfige, schöne Kinderschar heran – das ist doch ein plumpes Plagiat der letzten Seite der Promessi Sposi 129 , werden die Kritiker sagen. Ach, könnte ich doch nur alles bei Manzoni stehlen! – Aber in diesem Fall ist der Vorwurf unberechtigt, denn während Manzoni die Anzahl der Kinder Renzos und Lucias nicht kannte oder uns nicht nennen wollte, kann ich euch versichern, dass meine Brautleute in zwanzig Ehejahren zwölf Kinder bekamen. Am Tag nach der Hochzeit (ich hatte vorher vergessen, es zu berichten – wie vieles ich vergessen habe! Und an wie vieles ich mich nicht genau erinnere! Wofür ich hier in Klammern um Verzeihung bitte) öffnete Celio die Schatulle, die Formiani ihm zur Aufbewahrung anvertraut hatte. Und was meint ihr, fand er darin? Die Insignien und Ritualgegenstände der Freimaurer, die er, wie ihm aufgetragen, verbrannte und vernichtete; da wurde ihm aber auch klar, was der Inquisitor gemeint hatte, als er auf dieses Wirken im Untergrund anspielte, das die Grundfesten der Republik unterminierte, für ihn aber Gegenstand lebendiger, wenn auch ferner Hoffnung war. Wir wüssten nicht zu sagen, ob Celio dieser Auffassung in seinem Denken und Handeln beipflichtete; offenbar lebten er und seine Frau völlig abseits vom ruchlosen Getriebe des vergangenen Jahrhunderts und wirkten lediglich mit an den Anfängen jener breiten moralischen Erhebung, auf welche sich die Erneuerung eines Volkes gründen kann. 130 Der Podestà und Signora Cecilia teilten mit den jungen Leuten den Wohnsitz in Caneva und das Glück noch vieler langer Jahre. Aufgrund der Nachbarschaft schloss der ehemalige Beamte innige Freundschaft mit dem Wein aus Conegliano; die Signora hingegen hatte sich mit Leib und Seele dem Rosenkranz verschrieben, und es war ihr ernst damit; denn zusammen mit der frommen Gewohnheit war auch die Güte wieder zum Vorschein gekommen, die Formiani auf dem Grund ihres Herzens gesehen hatte. Dennoch trat niemals der Fall ein, dass Seine Exzellenz Alvise in Gegenwart seiner Gattin eine eigene Meinung hätte fassen oder aussprechen können, und das war die einzige Form von Herrschaft, die die berühmte Dame sich auch weiterhin über ihren Gatten vorbehielt. Die Carminis, ich meine, die noch übrig waren, also Komtess Teodora, Costanzina, Marcoligo und Nicoletto, lebten ebenfalls noch lange inmitten des öden Pomps von San Marco, der öden Verschwendung in den Spielsälen, der öden Vergnügungen von Bällen und Theatern. Costanzina löste ihre Tante, die Prokuratorin, ab in dem Ruf, eine vollendete Aspasia zu sein; dieser Trottel von ihrem Bruder trat seine Frau schließlich an den treuen Momolino ab, der zum Ausgleich dafür das Amt eines Steuereintreibers des Rats von Venedig erhielt. Von Giannozzo und Tramontino weiß ich, dass sie unsere Freunde in Caneva oft besuchten; und dass sie in den letzten Jahren der Republik, die sie als alte Männer noch erlebten, unter den
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