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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition)
Autoren: Ippolito Nievo
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Ersten waren, die zusammen mit den Banden der Gebirgsbewohner zur Verteidigung des Markuslöwen aufstanden, und unter den Letzten, die sich den napoleonischen Herrschaftsansprüchen beugten. Celio, der wie gesagt Vater einer vielköpfigen Kinderschar geworden war, tat mehrmals das, was ich hier getan habe, und erzählte ihnen in Teilen und Ausschnitten seine Geschichte, damit sie Belehrung und Erfahrung daraus ziehen möchten. Die Moral dieser Geschichten war stets ein von ihm selbst geprägtes Sprichwort:«Herzensgüte ist der Ursprung aller Tugend.»
    « Und seht», sagte er zu ihnen,«wer unter all den Menschen, von denen ich euch erzählt habe, war wirklich anständig und tugendhaft...? Nur eure Mama, meine Lieben, und sie allein, seht ihr, sie allein, hat mit nichts anderem als mit ihrer Herzensgüte aus uns Taugenichtsen, die wir allesamt waren, wenn nicht Heilige, so doch wenigstens anständige Menschen gemacht.»
    Zuweilen kam Morosina dazu, wenn ihr Gatte solche Reden führte, und dann schalt sie ihn, weil er ihr ein Verdienst zuschreiben wolle, das ihr nicht im Mindesten gebühre.
    « Habt ihr Chirichillo gern, liebe Kinder?», fragte die gute Mama.
    « O ja, sehr!», antworteten sie.«Er ist ja unser Großpapa!»
    « Nun schön, dann solltet ihr diesen guten Alten nur immer noch fester lieb haben, denn er hat mich, euren Papa und alle miteinander davor bewahrt, Schlechtes zu tun!», versetzte die gütige Frau.
    Die Kinder kletterten der Mutter auf den Schoß und küssten sie. Celio setzte sich neben sie und flüsterte ihr ins Ohr:«Es ist doch allzeit wahr, dass du ein Engel an Güte bist!»

XII
Jedes Ende ist ein Anfang
    Nachdem man die Menschen, von denen man erzählte oder las, durch viel Schrecken und Elend zu einem sicher gegründeten Glück geführt hat, ist es nicht erfreulich, Zeuge ihres zunehmenden Alters zu werden, ihrer schwindenden Lebensfreude, ihrer Gebrechen und Altersbeschwerden, bis schließlich der Tod kommt und beweist, dass Glück und Unglück nur Tagträume sind. Dieser Wahrheit eingedenk, handelt ein Romancier seit jeher und zu allen Zeiten ausgesprochen weise, wenn er seine Erzählung an der Hochzeitstafel enden lässt, wo dann dem Leser in seiner Imagination die Personen bis auf den heutigen Tag eifrig kauend und aus vollen Bechern trinkend vor Augen stehen.
    Diese Regel gilt zujeder Zeit, für jeden Helden und jede Heldin, nicht aber für meinen über alles geliebten Chirichillo; da für ihn der Tod nur eine Art Wohnungswechsel war, kann ich sein Ende und seinen Anfang getrost erzählen, ohne den Leser traurig zu stimmen.
    Er war uralt geworden und in den letzten Jahren vollkommen verblödet, und in Caneva hatte man einen Heidenspaß an seinen Anschauungen, die sich entweder auf Dinge vor seiner Geburt bezogen oder auf solche, die sich erst nach seinem Tod ereignen würden; mit seinem Dasein als Gerichtsschreiber beschäftigte er sich nicht mehr als mit dem des Großkhans.
    Zuletzt hatte er sich aufs Engste mit einem ehemaligen Kanzleischreiber angefreundet, der ebenfalls halb blöde war und entweder aus eigenem Wahn oder aus Fügsamkeit gegenüber den Ansichten des Freundes ebenfalls fest davon überzeugt war, schon zehn- oder zwölfmal auf dieser Erde gewandelt zu sein; und nach langem und sorgfältigem Vergleich von Daten, Personen und Umständen hatten die beiden Alten herausgefunden, dass der eine als Henker bei einer bestimmten Gelegenheit den anderen gehängt und dieser seinerseits, als er zu einer gewissen Zeit als Scharfrichter wirkte, dem ersten den Kopf abgeschlagen hatte; dergestalt quitt miteinander, wurden solch innige und zarte Bande zur Grundlage einer umso unverbrüchlicheren Freundschaft.
    Übrigens wahrte Chirichillo, der sich ausersehen fühlte, den Thron zu besteigen, dem anderen gegenüber stets eine gewisse herrschaftliche Würde, ja, er hatte ihm sogar, wenn dereinst die Zeit gekommen wäre, bereits ein hohes Amt bei Hof versprochen.
    Aber die Gewissensbisse wegen des oben erwähnten voreiligen Urteils plagten den guten Gerichtsschreiber auch weiterhin; und er klagte über gewisse Teufelchen, die ihn zur Strafe für diese Sünde während der Messe an der Perücke zupften; bis Bernardo und Moretta bei eingehenderer Untersuchung der Perücke wohl eine ganze Prozession von Teufelchen entdeckten, keineswegs aber von jener höllischen Sorte, die Chirichillo meinte.
    Als er endlich, fast hundertjährig, den Tod herannahen fühlte, ließ er noch immer nicht von
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