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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Autoren: Frode Grytten
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nicht nur ein Möbelgeschäft eröffnet, sondern auch eine Bank. Er wusste, wer zahlen würde und bei wem er aufpassen musste. Es war ein fein austariertes System, das darauf basierte, dass jeder jeden kannte. Ich wurde Teil dieses Systems. An dem Tag, an dem mir klar wurde, dass die Kunden mich nicht mehr erkannten, war die Veränderung ein Fakt. Sie hatten keine Ahnung, dass ich Möbel-Lunde war. Es war natürlich auch früher schon vorgekommen, dass Kunden den Laden betraten, die ich nicht kannte, ein Mann kann nicht alle kennen, nicht einmal in Åsane, aber eines Tages begriff ich, dass sie nur Möbel haben wollten, nicht bei Möbel-Lunde einkaufen.
    Wir sind jetzt in der Telemark, und man muss sagen, das norwegische Klima ist für einen Möbelhändler ideal. Der Winter treibt uns nach drinnen, hinein in Häuser und Zimmer. Die Norweger sind vermutlich das Volk, das sich am meisten nach innen orientiert, wir ziehen die Vorhänge zu und knipsen im Haus die Lampen an. Ich komme an Häusern vorbei, die garantiert poliert und renoviert sind, Zimmer, die fast aus sich heraus leuchten. Sie werden mit den Jahren immer heller, haben nicht die Zeit nachzudunkeln, wie es Zimmer in anderen Ländern tun. Am Ende schweben norwegische Zimmer, weil sie so sehr renoviert wurden. Heute leben wir im Zeitalter der Schlamperei. Wir unterscheiden nicht mehr zwischen Gut und Schlecht, nur noch zwischen Alt und Neu. Alles ist so gebaut, dass es schnell zusammenbricht, alles ist so fragil. Im Fernsehen habe ich einen Dokumentarfilm gesehen, in dem gezeigt wurde, wie Fabrikanten die Lebenszeit ihrer Produkte verkürzten, angefangen von Glühbirnen bis hin zu Nylonstrümpfen, von Computern bis zu Toyotas. Als würden sie in ihre Produkte eine Uhr einbauen. Hat die Uhr zu Ende getickt, kollabiert alles, wie mein Jugendfreund Samuel, die Beine geben unter dir nach, und du brichst auf braunen Fliesen zusammen. Überall kann man das rasselnde Geräusch wegknickender Glieder hören. Pofff!
    Ich war dabei, als IKEA in Åsane eröffnet wurde. Ich stand draußen auf dem Parkplatz und sah, wie die Leute mit Möbeln anrückten, die sie in Container warfen. Vor der Eröffnung hatte IKEA in der BT Anzeigen geschaltet und die Leute dazu aufgerufen, ihre alten Möbel gratis zu entsorgen. Bei IKEA, bei Ingvar Kamprad, dem Mann, der niemals etwas wegwirft! Mehrere Container standen nebeneinander in einer Reihe, wie treffende Kolumnen über unsere Zeit, die Leute kamen von nah und fern, um sich von Qualitätsmöbeln zu trennen. Sie entsorgten Qualität, als handelte es sich um Gammelfleisch. Viele der Möbel hatten sie garantiert bei uns gekauft. Jetzt dürstete es sie nach neuen. Hätte ich zum damaligen Zeitpunkt nicht einen Namen zu verlieren gehabt, wäre ich sofort zu den Containern gegangen und hätte die Möbel wieder herausgefischt. Sehen Sie her!, hätte ich zu den Leuten gesagt. Wollen Sie dieses Kleinod wegwerfen, gute Frau? Dieser Stuhl ist viel besser als jeder Stuhl, den es dort drinnen zu kaufen gibt! Ein völlig anderer Komfort! Sehen Sie nur die harmonische Formgebung! Sind Sie sicher, dass Sie das Richtige tun, guter Mann? Die Leute wollen so gern glauben, dass ein Produkt gut ist, wenn der Preis niedrig ist. Sobald Dinge etwas kosten, fangen sie an, sich zu beschweren. Aber die Schrottmöbel von IKEA sehen schlampig aus, sie riechen schlampig, man muss den Schrott sogar selbst zusammenschrauben, und eines schönen Tages fällt der ganze Schrott in sich zusammen. Das weiß IKEA, darum stellen sie Schrott her, sie verkaufen uns nicht, was wir brauchen, sie wollen nur, dass wir etwas Neues erwerben, sie wollen, dass wir uns mit Schrott umgeben, weil sie uns dann schnell weiteren Schrott verkaufen können.
    Die Tanknadel geht gegen null. Ich halte an einer Tankstelle in Seljord, tanke die bedächtige Stille der Telemark. Ein paar Autos kommen vorbei. Diesen Saab habe ich seit zwölf Jahren. Mein letztes Auto. Früher habe ich alle zwei Jahre gewechselt, aber von diesem Auto will ich mich nicht trennen. Warum sollte ich auch? In regelmäßigen Abständen tauchen im Fernsehen irgendwelche Idioten auf und erzählen uns, Norwegen habe den ältesten Fuhrpark Europas, wir müssten uns schleunigst neue Autos kaufen, sonst sei die Nation in Gefahr. Woher haben sie ihre Statistiken? Wer sagt, dass man abgemeldet ist, wenn man sich in eine ältere Karosse setzt? Ich gehe hinein, um zu bezahlen. Ein Junge steht hinter dem Tresen. Ich atme den Geruch
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