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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Autoren: Frode Grytten
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ich durch die Straßen, wie es sich für einen Mann geziemt, der nicht weiß, wohin er sich wenden soll. Es ist in jedem Fall richtig, kein Aufsehen zu erregen. Hier hocken die Leute so eng aufeinander, dass man schnell jemandem auf die Füße tritt. Die Osloer zeigen sich zu dieser Tageszeit in großer Zahl. Der Arbeitstag ist vorbei, und sie haben den langen Abend vor sich. Alle sehen aus, als hätten sie die verschiedensten Dinge zu erledigen, sie sind spät dran, auf dem Heimweg, auf dem Weg in Geschäfte. Ich bleibe vor einem Kiosk stehen. SPITZENSPORTLER MIT PRÄPARIERTEM BLUT IM GEPÄCK, steht auf der Titelseite von Verdens Gang . Mein ältester Sohn arbeitet bei der VG am Desk. Er ist einer von denen, die die Welt in solch kleine Gedichte verpacken. Früher dachte ich, der Junge sei die größte Niederlage meines Lebens. Ja, im Grunde dachte ich das von meinen beiden Söhnen. Was mich am meisten getroffen hat, war, dass weder Jan noch Arvid den Laden übernehmen wollten. Ich weiß noch, wie Jan von der Musterung nach Hause kam, er hatte erfahren, dass er rotgrünblind ist. Er könne weder Zugführer noch Pilot werden. Ich sagte, das spiele keine Rolle, er solle das Möbelgeschäft übernehmen, für einen Möbelhändler sei es zwar offensichtlich von Vorteil, wenn er Rot und Grün unterscheiden könne, aber es sei in keiner Weise ausschlaggebend. Daraufhin sagte er, er habe vor, Journalistik zu studieren. Journalistik?, sagte ich. Ja, sagte er. Journalistik!
    Ich weiß nicht, was mich überkommt, aber ich betrete eine Telefonzelle und rufe Jan an. Es wäre schofel von einem Vater, seinen Sohn nicht anzurufen, wenn beide ausnahmsweise in derselben Stadt sind. Wo bist du?, fragt mein Sohn. In derselben Stadt wie du, sage ich. Was machst du hier? Ich weiß es nicht. Du weißt es nicht? Nein. Rufst du aus einer Telefonzelle an? Ja, ich stehe in einer Telefonzelle im Drammensveien. Was hast du für Pläne?, fragt er. Ich antworte nicht. Eine ausführlichere Erklärung würde ihn zum Mitschuldigen machen. Das hat er trotz allem nicht verdient. Jeder muss sein Päckchen tragen, und meins ist längst ein anderes als seins. Seit meine Söhne sich geweigert haben, den Laden zu übernehmen, ist das Band zwischen uns gekappt. Vor fünfzehn Jahren habe ich ihnen einen Vorschuss auf ihr Erbe gegeben. Marny meinte, ich würde mich von meinen Kindern freikaufen. Es kann gut sein, dass sie recht hatte, aber der Laden lief damals gut, und ich wollte, dass die beiden für ihr weiteres Leben abgesichert waren. Arvid hat das Geld genommen, um sein Leben zu ruinieren. Jan hat sich ein Haus an der spanischen Sonnenküste gekauft. Ich weiß nicht, was schlimmer war.
    Ich sehe mein Spiegelbild in der matten Scheibe der Telefonzelle. Ich sehe aus wie nicht ganz klar im Kopf mit zu großer Nase und offenem Mund. Darf ich dich zum Essen einladen?, frage ich. Was sagst du?, fragt Jan. Ich kann ihn verstehen, die Frage hat mich ebenfalls überrascht. Was sage ich da? Ein Essen? Jetzt?, fragt Jan. Na klar, das heißt, wenn du mit der Arbeit fertig bist, sage ich. Wir verabreden uns in einer Stunde im Restaurant. Ich lege auf. Du Idiot, du verdammter Idiot. Worüber soll ich mich einen ganzen Abend mit Jan unterhalten? Nur in seinen besten Momenten gelingt es meinem Sohn, seine Intelligenz auf den Durchschnitt anzuheben. Ich verlasse die Telefonzelle und folge dem Bürgersteig. Die Schaufenster leuchten und lächeln. Solche dämmrigen Auslagen haben mich früher glücklich gemacht. Ich konnte sie in vollen Zügen genießen. Bei Möbel-Lunde haben wir alles Mögliche versucht. Wir räumten drinnen um, wir sorgten für mehr Luft, für weniger Luft, für gar keine Luft, wir mischten Neues und Altes. Wir strahlten die Möbel im Schaufenster an, damit die Leute davon angezogen wurden, so wie sich die Gläubigen um einen Schokoladen-Jesus scharen. Es gab natürlich Grenzen, wie weit wir gehen konnten. Auf lange Sicht stellte es sich als unmöglich heraus, mit IKEA Schritt zu halten. Ihre Kataloge lagen auf jedem Tisch der Nation, auf jeder Anrichte und auf jedem Nachttisch. IKEA war für die Leute der siebte Himmel, während Möbel-Lunde zunehmend einem in die Jahre gekommenen zweirädrigen Karren glich. Jeden Morgen zogen wir dieselben müden Waren hervor. Schließlich bekamen wir kein Geld mehr für neue Möbel. Wir bekamen keinen Kredit bei den Lieferanten, sie verweigerten die Lieferung neuer Waren, bevor wir die alten nicht bezahlt hatten.
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