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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Autoren: Frode Grytten
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Muster, umgeben von schwarzem Nichts. Hier, wo ich mein ganzes Leben verbracht habe. Jetzt fahre ich weg aus einem Stadtteil, der für mich dahinzusiechen begonnen hatte. Neue Häuser überall, eins sieht aus wie das andere. Ich sehe die Lichter, die Terrassen, die Bushaltestellen, ich sehe das Licht in den Fenstern, aber ich weiß nichts mehr über die Menschen. Dieser Ort hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte verwandelt, von Ackerland zu Umland, von Dorf zu Vorstadt. Die Träume sind weggezogen. Die Leute schlugen morgens lächelnd die Augen auf. Früher konnte ich sagen, welche Träume in welcher Straße wohnten, in welchem Haus. Ich hatte erkannt, dass es möglich war, die Erwartungen der Leute zu erfüllen, und ich war der richtige Mann dafür. Ich brachte Åsane und seiner Umgebung das Glück. Ich fuhr durch die Gegend und lieferte das Glück aus. Ich klingelte, stapfte ins Haus, verteilte das Glück auf dem Boden und an den Wänden, packte Jubel und Freude aus. Ich montierte ein Leben in Sorglosigkeit in norwegischen Heimen.
    Was noch? Lange kannte ich die Entwicklung in nahezu allen Familien, überall standen die Türen einen Spaltbreit offen. Ich war die Hand, die ein Sofa auf den Boden stellte, ein Regal in den Partykeller, ein Bett ins Kinderzimmer. Bitte schön! Nehmt das Glück in Gebrauch. Was noch? Die Zahlungsfähigkeit. Ich wusste, wer zahlen konnte und wer einen Kredit brauchte. Was noch? Die Kinder. Ich wusste, wer auf die Welt gekommen war, wer in welches Haus gehörte. Wenn ich heute durch Åsane fahre, sehe ich, was einmal war. Nachmittage am Grill, Abende mit Longdrinks. Ich sehe zwei Mädchen, die auf dem warmen Gehweg sitzen, ich sehe einen Fernseher mit der Mondlandung in Schwarzweiß. Koteletts zum Abendessen, die auf der Küchenzeile bereitstehen. Eine Runde Minigolf. Marny, die auf ihrem Lieblingssessel unter dem Licht der Lampe ruht. Meine Jungen, die im Baum sitzen und die oberen Äste schütteln, sie haben Angst, jemand könnte uns sehen, aber ich lache und ermuntere sie zum Weitermachen, damit ich das Herbstlaub zusammenfegen kann. Oje, wie sentimental. Ich darf nicht schrumpfen und zerbrechen. Fahren, fahren, hinein in den Winter. Ich sitze auf dem kalten Fahrersitz, sehe, wie sich die Welt vor meinen Augen entrollt. Das Licht der Straßenlaternen kommt mir entgegen. Der Saab fährt weiter, ein geduldiger schwarzer Körper in all dem Weiß. Kilometer für Kilometer nähere ich mich meinem Ziel, und während ich auf der Schwelle zu meiner Auslöschung stehe, gelingt es mir, ein anderer zu werden, einer, der sogar die Polizei an der Nase herumführen kann. Nicht so schlecht, das muss man zugeben.

Ich schreibe mich im Hardanger Hotel unter meinem richtigen Namen ein: Harold M. Lunde . Ich benutze einen Blackbird. Ein schöner Füller, mein Füller, er passt vom Stil her nicht in dieses Hotel. Mit diesem Füller hätte ich besser den Namen eines anderen Mannes eingetragen, das ist mir klar. Dann könnte die Dame an der Rezeption aufgeregt zu den Journalisten sagen, ja doch, Harold M. Lunde hat in jener Nacht bei uns geschlafen, aber er hat sich unter falschem Namen eingeschrieben, ich habe sofort gemerkt, dass was mit ihm nicht stimmt, wissen Sie, in diesem Job lernt man die Menschen kennen. Willkommen, Herr Lunde!, sagt die Dame und sieht mich nicht. Sie sieht nur ein Sumpfloch in der Wüste. Hier links ist der Fahrstuhl, und dann ist es der vierte Stock, Zimmer 409, sagt sie. Gute Nacht, Herr Lunde! Im Zimmer knipse ich das Licht an, dann schalte ich den Fernseher ein, um das ewige Gemurmel in meinem Kopf zu beenden. Aber ich hatte diesen Zirkus vergessen, die Olympiade in Lillehammer. Alle Kanäle zeigen prächtige Säugetiere, die sich als Skispringer betätigen. Ich bin noch nie gern Ski gelaufen, bin sonntags lieber in den Laden gegangen, habe aufgeräumt, Papierkram erledigt, die ausgestellten Möbel verrückt. Vielleicht lief im Hintergrund der Fernseher, aber der Skisport hat mich wirklich nie interessiert. Ich schalte den Fernseher wieder aus. Ich will nicht ins Detail gehen, aber Hotelzimmer versetzen mich längst nicht mehr in Hochstimmung.
    Es gab eine Zeit, da bin ich mit einem Lied auf den Lippen zu Möbelmessen gefahren. Ein neues Zimmer, ein neues Bett, eine unverbrauchte Aussicht. Den Koffer aufmachen, Schuhe, Hemden, Anzüge in Schränke und Regale verteilen. Ein Buch auf den Nachttisch legen, immer hatte ich ein Buch dabei, immer kam ich mit dem ungelesenen Buch
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