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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Autoren: Frode Grytten
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zurück. Dabei las ich so gern. Damals konnte ich mit dem größten Eifer loslassen. Ich liebte dieses Leben. Zu Messen fahren. Vertreter im Büro empfangen. Neue Möbel bei den Fabrikanten bestellen. Auspacken, kontrollieren, dass alles in Ordnung war. Putzen, leimen und lackieren, was kaputt war. Es kam vor, dass Marny zu den Messen mitkam, und wenn ihr ein Hotelzimmer nicht gefiel, sagte sie: Du weißt, was du versprochen hast? Ja, ich habe es nicht vergessen, lächelte ich. Marnys Wunsch in der Hochzeitsnacht war es gewesen, dass ich sie eines Tages in ein Fünf-Sterne-Hotel in New York einladen sollte. Versprichst du mir das?, hatte sie gefragt. Was hätte ich antworten können außer: Ja, Liebes . Was verspricht man nicht alles in der Hochzeitsnacht, wenn man glücklich im warmen Bett liegt mit der Frau, die man liebt? Ich war zur Tatzeit ja nicht zurechnungsfähig. Ich musste das Versprechen halten, auch wenn viele Jahre ins Land gezogen waren, ja, die Tage rasten nur so vorbei, wir bekamen Kinder, wir arbeiteten und mühten uns ab, im Laden und daheim, wir waren gesund und guter Dinge, wir waren erschöpft und krank, wir gingen sogar in Konkurs, aber ich musste mein Versprechen halten, ich konnte mich schließlich nicht den menschlichen Anstandsregeln entziehen.
    Mit dem letzten Rest Geld aus der Firma kaufte ich Flugtickets und buchte ein Hotelzimmer. Gab es eine bessere Verwendungsmöglichkeit für das Geld? Hätte ich es den Gläubigern geben sollen, damit sie noch mehr Geld für teuren Cognac zum Kaffee ausgeben konnten? An einem Tag im Oktober vor vier Jahren packten wir die Koffer und fuhren los. Ich fürchtete das Schlimmste, ich träumte von dunklen, überfüllten Straßen, von Lärm und Menschen, die nach Schweiß rochen. Aber The Mark lag in der Madison Avenue, ganz dicht am Central Park. Wir bekamen eine Suite im 15. Stock, herrliche Zimmer mit italienischen Möbeln, alles von Fachleuten zusammengestellt, ansprechend und elegant. Vom Nordfenster aus sahen wir die Bäume im Park und alles, was sich schon langsam gelb färbte. Ich liebe Hotels, sagte Marny. Fünf-Sterne-Hotels zumindest, sagte ich.
    Ich nehme den Telefonhörer vom Apparat. Er ist kalt in meiner Hand. Eine Frauenstimme meldet sich. Ich sage, mir sei bewusst, dass es schon spät sei, aber könne sie vielleicht nachsehen, ob Marny Lunde wach sei, und falls sie wach sei, würde ich gern mit ihr sprechen. Es gefällt ihnen nicht, dass ich anrufe. Aber sie ist meine Frau, nicht ihre. Das sage ich, wenn sie protestieren. Sie ist meine Frau. Ich höre, wie die Frau den Hörer weglegt, dann höre ich, wie sich ihre Schritte vom Telefon entfernen. Ich glaube jedenfalls, dass ich das höre, ich bilde es mir jedes Mal ein, wenn ich Marny am Abend anrufe. Es gibt nichts Melancholischeres als das Geräusch von Schritten auf dem Fußboden eines öffentlichen Gebäudes im Hörer. Ich war schon so oft da. Das hier sind ihre Schritte vom Stationszimmer den Gang entlang zu Marnys Zimmer, vorsichtiges Klopfen, leises Öffnen der Tür, ein Blick auf Marny, ihren Kopf auf dem Kissen, die geschlossenen Augen, der Geruch von Kampfer und Arznei im Zimmer. Hallo, sagt die Frau am anderen Ende, Frau Lunde schläft schon. Aha, sage ich, dann rufe ich morgen wieder an. In Ordnung. Gute Nacht. Ja, gute Nacht.
    Ich schlafe ein, wache auf, schlafe wieder ein, träume. Ich träume, dass ein alter Mann auf mir liegt und tot ist. Er ist dürftig gekleidet und hat eine mächtige Alkoholfahne, die nicht sehr frisch riecht. Ich liege unter ihm und bin nackt, ich habe keine Ahnung, wie er auf mir gelandet ist, ich muss mich jedenfalls gedulden, bis jemand kommt, um ihn zu entfernen. Aber der Mann ist im Begriff, allen Sauerstoff aus mir herauszupressen, ich spüre den regennassen Trenchcoat, die Sägespäne unter den Beinen, irgendwo weit weg bellt ein Hund. Ich werde wach, bleibe liegen. Das Zimmer ist eiskalt. Ich glaube, ich habe Fieber. Die gedämpften Hotelgeräusche vermischen sich mit den Fahrgeräuschen von draußen. Ich muss aufstehen, auf die Beine kommen, bevor mich jemand für tot erklärt. Als wir noch den Laden hatten, bin ich aufgestanden, sobald der Wecker klingelte. Aufstehen, duschen, den Anzug anziehen, sich im Spiegel betrachten. In der Morgendämmerung zum Laden laufen, durch die milden Sommermorgen, die regnerischen Novembertage. Eine Viertelstunde zum Laden laufen, um 8:00 Uhr aufschließen, genau eine Stunde haben, bevor die Türen aufgehen. Eine
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