Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
Schule … vielleicht habe ich ja genau das nötig. Vielleicht sollte ich irgendwo anders hingehen, wo ich niemandem schaden kann.»
    Merrily überlegte, ob sie Jane sagen sollte, dass sie sich um Gomer Parry jedenfalls keine Sorgen machen musste. Als Merrily ihm im Dorfladen begegnet war, hatte er sogar zehn Jahre jünger ausgesehen, obwohl er vermutlich eine Klage an den Hals bekommen würde, weil er einen Bagger ohne das Einverständnis des Besitzers benutzt hatte, um einen Zaun und einen silberfarbenen BMW zu zerstören.
    «Am besten hätt ich Pierce gleich selber die Baggerschaufel aufn Kopp gehaun», sagte Gomer. «So ein bösartiges Schlitzohr, wie der is.»
    Merrily hatte ihm geraten, solche Überlegungen während des Polizeiverhörs lieber nicht anzustellen.
    Kurz vor zwölf hatte Syd Spicer angerufen, um zu sagen, dass er mit Tim Lostes Eltern in Frankreich telefoniert hatte. Er fragte Merrily, ob sie die Beerdigung abhalten würde.
    Sie sagte zu.
     
    Der junge Mann an der Tür trug Jeans und ein T-Shirt, auf dem die historische
Mappa Mundi
aus Hereford abgebildet war.
    «Neil Cooper. Bezirksrat Herefordshire.»
    «Ich glaube, ich habe Sie schon einmal gesehen», sagte Merrily.
    «Ja, das ist möglich. Ich wollte wissen, ob Jane zu Hause ist.»
    «Na ja, sie ist …»
    Hinter ihr in der Eingangshalle tauchte Jane auf.
    «Das ist Mr. Cooper, Jane. Vom Bezirksrat.»
    «Hören Sie», sagte Jane. «Ich habe überreagiert. Ich habe mich benommen wie ein kleines Kind. Trotzdem werde ich mich nicht entschuldigen.»
    «Das habe ich auch gar nicht von Ihnen erwartet.» Neil Cooper sah sie grimmig an. «Aber ich finde, Sie sollten wenigstens mitkommen und sich ansehen, was Sie angerichtet haben. Sie und Ihr … unberechenbarer Freund.»
    «Was das angeht, übernehme ich die volle Verantwortung. Gomer dachte, ich wäre in Gefahr. Aber in Wahrheit war es ein Akt des Widerstands.»
    Merrily sagte: «Jane …»
    «Ich möchte gar nicht diskutieren», sagte Cooper. «Wenn Sie bereit sind, sich das anzusehen, was …»
    «Gut. Ich komme mit. Aber wenn Sie vorhaben, mir irgendeinen Handel anzubieten, wie es die Polizei getan hat, damit ich Gomer reinreiße, dann vergessen Sie’s.»
    Merrily sah ihnen nach und überlegte, was das am Ende wohl alles kosten würde, und zwar sowohl finanziell als auch in Bezug auf ihre Zukunft im Dorf. Dann ging sie zu Lol hinüber.
     
    Lol saß mit seiner Boswell-Gitarre auf dem Sofa. Merrily setzte sich neben ihn und hörte zu, als er ein paar geheimnisvolle, schwebende Akkorde anschlug und leise Worte dazu murmelte.
    Ich brauch ihn nicht, den Engel der Qualen,
    Ich will sie nicht, alle Pracht und Herrlichkeit
    Er legte die Gitarre weg.
    «Ich habe hier auf dem Sofa geschlafen, nachdem wir zurückgekommen waren. Nach ein paar Stunden bin ich aufgewacht und hatte die Melodie im Kopf. Was meinst du? Ist es Müll?»
    «Es klingt sehr eindringlich», sagte Merrily.
    «Ich arbeite es weiter aus, oder?»
    «Und wenn du fertig bist, lässt du Simon St. John dazu Cello spielen.»
    «Das würde Elgar überhaupt nicht gefallen.»
    «Hör mal», sagte Merrily. «Siebzehn. Erinnerst du dich?»
    «Das war es nicht.»
    «Es hat nicht siebzehn gesagt?»
    «Er hat
Severn
und
Teme
gesagt. Elgar wollte sich nach seinem Tod eigentlich verbrennen und seine Asche am Zusammenfluss von Severn und Teme verstreuen lassen.»
    «Also wollte Tim … Wo fließen Severn und Teme denn zusammen?»
    «Keine Ahnung.»
    «Ich überlege, ob es dort in der Nähe eine Kirche gibt. Und einen Pfarrer, der für so etwas offen ist. Da wäre zwar noch einiges zu klären und zu organisieren, aber trotzdem.»
     
    Es war ein Chaos, daran gab es nichts zu rütteln. Eine offene Wunde im Bauch des Dorfes. Okay, ein Teil davon war Gerry Murray zuzuschreiben, aber auch Gomer hatte ziemlich gewütet. Der Zaun war zertrümmert und stückweise auf das Feld geschleift worden. Das Schild, auf dem das Bauvorhaben für die Luxuseigenheime beschrieben worden war, hatte er von seinem Pfosten geschmettert und unter den Hieben der Baggerschaufel zersplittern lassen, bevor er es auf Coleman’s Meadow halb untergepflügt hatte.
    Und Pierce’ Auto natürlich. Es stand immer noch dort. Die Windschutzscheibe war eingeschlagen, und die Motorhaube sah aus wie eine zerdellte Sardinenbüchse. Nun ja, es war dunkel gewesen. Woher hätte Gomer auch wissen sollen, dass Pierce sein Auto ausgerechnet hier abgestellt hatte, weil er Murray später nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher